William Cepeda & Afrorican Jazz

BRANCHING OUT

EXIL 9969-2
LC 08972

DISTRIBUTION: INDIGO

 

Ein beachtlicher Teil puertoricanisch-karibischer Musik findet in den einschlägigen Vierteln amerikanischer Großstädte statt. Auch William Cepeda lebt in New York, wo sein neues Album Branching Out mit zahlreichen Gastmusikern verschiedener Nationalitäten entstand. Zugleich versucht er aber, der Klangkultur seiner Heimat so nah wie möglich zu bleiben, sie zu pflegen und behutsam zu modifizieren. Ein Widerspruch, der keiner ist.

Der virtuose Posaunist kam im Laufe seiner Karriere mit zahlreichen Musikern zusammen, die ihrerseits die Grenzen der stilistischen Wahrnehmung durchbrachen. Über Dizzy Gillespies United Nation Orchestra zum Beispiel lernte Cepeda die Verknüpfung kubanischer Klangelemente mit der nordamerikanischen Postbopstilistik kennen, die aus New Yorker Perspektive die Überlieferungen der Inseln integrierte. Bei David Murray und den Brüdern Joseph und Lester Bowie kam er mit den engagierten und intellektuell humorvollen Nebenlinien der modern jazzigen Avantgarde in Kontakt. Die Zusammenarbeit mit Hardbop-Haudegen wie Jimmy Heath und Slide Hampton wiederum festigte die Vorstellung des traditionsfundierten Großstadtjazz und bei Latin-Koryphäen wie Eddie Palmieri, Tito Puente, Oscar d’Leon und Celia Cruz wurde er in die tieferen Geheimnisse der zeitgenössisch aktualisierten Salsa-Strömungen eingeweiht.

"Ich habe das große Glück, in eine Familie von Musikern aus Lozia Aldea geboren worden zu sein, einem Ort, an dem die puertoricanische Musik bis heute sehr lebendig ist. Dieses Erbe ist für mich ein wertvolles Geschenk. Und mir scheint es der beste Weg, unsere Musik zu machen, indem ich alle künstlerischen Einflüsse, Visionen und Erfahrungen einbeziehe, die unsere Lebenswege von der Kindheit an beeinflusst haben", meint William Cepeda und wagt sich an eine ungewöhnliche Verknüpfung der Überlieferungslinien, die von den eigenen Kulturtraditionen über afrikanische, spanische und arabischen Einflüsse bis hin zu indischen Motiven reicht. Diese multiethnische Melange auf afrokaribischer Grundlage mit nordamerikanischen Impulsen ist Thema von Branching Out und zugleich eine Reaktion auf die eigene künstlerische Entwicklung.

Kein Wunder also, dass sich Cepedas eigene Kompositionen und Arrangements deutlich vom Mainstream kubanisch dominierter Hörmoden der Karibik unterscheiden. Ihm geht es nicht um Einlösung kommerzieller erfolgsversprechender Soundrezepte, sondern um die Fortführung einer stilistischen Offenheit, die aus den Errungenschaften der Väter ein individuelles Klangkonzept destilliert. Ein paar Beispiele:

"Cosa Nuestra" (1), eine Komposition in der Jíbaro-Tradition auf der Basis der Aguinaldo-Form. Rhythmisch komplex, emotional eindrucksvoll und zugleich betörend tanzbar kombiniert das Ensemble die melancholischen Gesangslinien von Andrés Jiménez mit dem Sound eines raffiniert arrangierten Jazzorchesters und den solistischen Einlagen des Cuarto-Virtuosen Yomo Toro.

"Bomba Flamenca" (2) ist eine kompakte Verbindungen spanischer Flamenco-Elemente und puetoricanischer Bomba-Rhythmen. Trotz kultureller Divergenzen gelingt Cepeda eine Fusion der Bulería- und Sicá-Überlieferungen, die die Verschiedenheiten der Kulturen als Gemeinsamkeiten erscheinen lässt.

"Washiba" (3) ist eine kunstvolle Tour-De-Force der Stilsymbiosen, der man die Gewagtheit der Kombinationen kaum anmerkt. Da trifft ein Bomba-Rhythmus auf arabische Melodieintarsien, die mit Tablas aus Indien, Didgeridoo-Sounds aus Australien und Sintir-Klängen aus Marokko vernetzt werden. Eine wilde Mischung im eleganten Gewand.

"Toshiko" (4) führt Cepeda nach Japan. Zarte Impressionen der Koto und karibische Rhythmen rahmen die Black-Poetry-Verse von Tite Curet Alonso über den noch immer virulenten Rassismus in der westlich geprägten Welt, die der Rezitator Harry Rexach voll dramatischer Intensität vorträgt. Es ist eine imaginierte Fahrt durch die Hörassoziation verschiedener Kulturkreise, ernst im Inhalt und ausgelassen in der Umsetzung.

"Let’s Have Fun" (5) klingt wie ein vergessenes Tape aus der besten United Nation Orchestra-Ära, das die exzentrische Impulsivität des Gastpianisten Edsel Gomez mit den vertrackten Improvisationen von Danny McCaslin am Saxofon und Omar Kabir an der Trompete und energetisch vitalen Rhythmusmustern der Perkussionisten verknüpft.

"Next Plena" (6) ist Hommage und Widerlegung zugleich. Der treibende Rhythmus der Plena wird durch meandrierende Melodieführungen, harmonische Alterationen und die Struktur relativierende Arrangementdetails ergänzt. Der Charakter bleibt zwar gewahrt, die Intention weist jedoch über die Traditionspflege hinaus in den Kontext des intellektuell reflektierten Latin-Sounds des angebrochenen Jazz-Jahrzehnts.

"Cumba Blues" (7) basiert auf dem Klassiker "El Cumbanchero" von Raphael Hernandez, den Cepeda nach Art New Yorker Latin-Orchester runderneuert, mit ausgelassenen Soli würzt und soulig gospelverwandten Elementen garniert.

"Bomba Pa’ Loiza" (8) sieht der Posaunist als Widmung an seine Heimatstadt Loiza Aldea, die für ihn ein Mittelpunkt traditionsorientierter Musikpflege bleibt. Dementsprechend umfangreich ist die Zahl der motivischen Ingredienzien, die er in die Miniatur-Suite einbaut. Sie ist ein Mosaik aus Gesangsmotiven, rituellen Klang-Erbstücken, Tanzrhythmen und jazzorientierten Improvisationen, die sich zum beeindruckend emotionsdichten Finale eines Albums steigern, das in seiner kreativen Konsequenz der kulturübergreifenden Verknüpfungen derzeit seinesgleichen sucht.

 

Bisher von William Cepeda bei EXIL erschienen:

Grupo Afro Boricua

William Cepeda

Bombazo

My Roots & Beyond

EXIL 8718-2
EXIL 8728-2

 

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