SIN PALABRAS

Orisha Dreams

LOCAL RECORDS/EXIL 9195-2


LC 08972

DISTRIBUTION: INDIGO

"CUBA GOES CLUBBING!"

Seitdem der Buena Vista Social Club einen wahren Kuba-Boom losgetreten hat, erscheinen hierzulande allmonatlich Dutzende Tonträger mit Salsa und Son-Folklore oder Cuban Jazz in der Nachbarschaft von Mario Bauza und Tito Puente. Das ist schön, aber noch lange nicht alles. Mit ihrem fulminanten Album "Orisha Dreams" zeigt die Formation SIN PALABRAS, daß im Lande Fidel Castros auch elektronische Musik auf internationalem Niveau gemacht wird. Sin Palabras fusionieren traditionelle Klänge mit zeitgemäßer Elektronik zwischen Drum & Bass und Tribal House Beats. Ihr Sound begeistert Havannas Jugend und geht jetzt, um Daft Punk zu zitieren, "Around The World". Cuba goes Clubbing! ... und alle sind eingeladen.

Puristen jeglicher Couleur werden dieses Album hassen. Manche Trendgazetten werden Probleme mit ihrer Feinrubrizierung bekommen. Drum & Bass? Ja. House? Auch. Latin Jazz? Hmmm. Trance? Stellenweise. Kuba ist ohnehin Schmelztiegel, und jetzt fangen diese jungen Leute auch noch an, die Sache mit elektronischen Hilfsmitteln richtig kompliziert zu machen. Sin Palabras ist Klanglabor, Songschmiede und eine großartige Liveband in einem, und ist vom Ansatz her etwa mit Faithless vergleichbar: Synths, Samples und verdammt echte Musiker. Das Resultat jedoch klingt ganz anders, denn in Havanna ist alles anders.

Nach der Krise in der Schweinebucht (1961) verhängten die USA ein Embargo über Kuba, das die Inselgruppe wirtschaftlich und kulturell vom Rest der Welt weitgehend abschnitt. Daß die sozialistische Führung dann ihrerseits das Land mehrere Jahrzehnte lang nahezu ganz gegen Einflüsse von außen abschottete, trug zur Verbreitung neuer Ideen, gleich auf welchem Gebiet, ebenfalls nicht gerade bei. Erst in jüngster Zeit öffnet sich die Republica de Cuba wieder. Jean Claude Gué war einer der ersten Europäer, die die neuen Freiheiten nutzten. Der Franzose, damals in Lyon als Radio-DJ tätig, besuchte 1994 Kuba. Aus dem Kurztrip wurde ein Daueraufenthalt, und zwei Jahre später gründete er in Havanna Sin Palabras (´ohne Worteª).

Gué war seinerzeit von House Music genauso begeistert wie von den Santería-Songs von Lázaro Ros und Merceditas Valdés. Beide Vorlieben brachte er mit Sin Palabras stimmig zusammen. Für den ersten Tonträger, ´House Of Drumsª, lud er die Batá-Trommler und Sänger von Tambor de Firmin sowie die Rap-Formation Proyecto F zur Teilnahme ein. Mit den Perkussionslegenden Eduardo Lazaga (zuvor Mitglied von Charanga Habanera) und José ´El Teacherª Eladio erschuf der Exil-Franzose einen frischen Mix aus Elektronik, House, HipHop, Yoruba-Gesang und afro-kubanischer Rhythmik.

Was auf House Of Drums im Keim angelegt war, ist auf Orisha Dreams in schönster Pracht erblüht. Unter den geschickten Händen von Produzent, Komponist und Arrangeur Edesio, der unlängst mit dem Soloalbum Black Angel und dem Cluberfolg "Blen Blen" von sich reden machte, entstand ein mitreißender Longplayer, der im Club ebenso gut funktioniert wie bei konzentriertem Hören auf der heimischen Couch. Kurz gesagt: Beats mit Substanz. So wird etwa im "Cha Cha Jungle" eine Drum & Bass Rhythmusspur mit Son-Klängen verheiratet. Bei "Alalae" trifft ein rituell anmutender Chorsatz auf Space-Sounds in TripHop-Manier. In "A Bailos Con La Cubana" wechseln leichte Rumba-Rhythmen und Big-Band-Bläser mit stämmigen Housebeats. Und bei "Soul Of Yemaya" kontrastieren traditionelle Frage-und-Antwort-Gesänge mit waschechtem Funk.

Tobias Maier zeigt sich in seiner ´Global Dance Hallª Kolumne in JAZZTHING/Blue Rhythm bereits sehr angetan:

Das erste Zwischenergebnis, 'House Of Drums' (Piranha/EfA), klang noch reichlich holprig; jetzt aber, unter der Regie des kubanischen Produzentenstars Edesio, ist die Mischung perfekt. Tribal House nach Cuba-Libre-Art, revolutionär, eigensinnig und spirituell. Orisha Dreams erzählt von einem Kuba ohne Zigarren, Panama-Hüte oder Erotik-Salsa. Dafür gibt es Afro-Roots, Yoruba-Gesänge und energische House Beats. Kuba ist hip. So oder so.

Orisha Dreams präsentiert das neue Kuba, vergißt dabei aber nie die Wurzeln. Schon im Albumtitel bezieht man sich auf die von Generation zu Generation überlieferte Santería-Religion, die bis zum heutigen Tage achtzig Prozent aller Kubaner praktizieren, egal welcher ethnischen Gruppe sie auch angehören. In dieser uralten Glaubensrichtung werden Orishas (= Götter) wie Changó, Oshún und Yemayá, die die Sklaven aus Afrika einst mitbrachten, mit den Heiligen der katholischen Kirche unter einem Dach vereint.

Bei den Santería-Zeremonien spielt die Musik der ´heiligen Trommelnª eine große Rolle. Die fiebrig-intensiven Rhythmen diverser Perkussionsinstrumente stellen bei diesen religiösen Ritualen den Kontakt zwischen Göttern und Menschen her, indem sie die tanzenden Religionsanhänger in Trance versetzen. Wenn man dies weiß, versteht man gleich viel besser, warum bei Sin Palabras klassisch kubanische Rhythmen so gut mit programmierten Beats zusammengehen, bewirken diese bei den Tanzhallen-Besuchern doch gleichfalls einen Zustand der spirituellen Versenkung. "If God was a DJ" -- wie neulich die eingangs bereits erwähnte englische Band behauptete -- er würde sicher den ein oder anderen Track von Orisha Dreams in sein nächstes Set einbauen.

 
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