Putumayo presents:

Women Of Jazz

EXIL 91568-2 / LC 08972/ VÖ: 26.10.2008 / DISTRIBUTION: INDIGO

1. Melody Gardot: “Goodnite” (Melody Gardot) 3’06”
2. Madeleine Peyroux: “Dance Me To The End Of Love” (Lenoard Cohen) 3’57”
3. Cassandra Wilson: “Lover Come Back To Me” (Oscar Hammerstein II, Sigmund Romberg) 4’16”
4. Sophie Milman: “Lonely in New York“ (Bob Dellaposta) 3’15”
5. Hope Waits: “I’ll Be Satisfied” (Carlo Tryan, Gordy Berry, Jr. Gordy Gwendolyn) 2’55”
6. Kate Paradise: “Mean To Me“ (Fred E. Ahlert, Roy Turk) 4’28”
7. Jennifer Hartswick: “Lover Man” (James Davis, Roger Ramirez, James Sherman) 3’10”
8. Stacey Kent: “Shall We Dance?” (Richard Rogers and Oscar Hammerstein) 3’41”
9. Della Griffin: “It Could Happen To You“ (Johnny Burke, James Van Heusen) 4’12”
10. Etta Jones: “Since I Fell For You” (Woodrow Buddy Johnson) 6’02“

Jazz und Putumayo – ein Weltmusik-Label auf Erkundungspfaden durch verrauchte Keller und akademische Zirkel mit Rollkragenpullis? Genug der Klischees. Zum einen hat der Jazz sein Oberstudienrat-Flair seit langem abgelegt, wird durchweht von frischem Geist und jungen Stimmen. Zum anderen ist die Partnerschaft von Jazz und World nicht erst von Plattenhändlern erfunden worden, sondern ein Fakt der Musikgeschichte: Wie der Swing sich um den Planeten hangelte, hat uns das New Yorker Label schon auf Swing Around The World vorgeführt. Und die Wiege des Jazz befindet sich eh’ unter einem großen Hut mit der brodelnden Küche der Weltmusik – er trägt den Namen New Orleans. Gerade hier, im Big Easy, hat das bunte Label auf Stippvisiten seine neugierige Nase ja schon des öfteren in den Jazz hineingesteckt. Nun also werden diese freundschaftlichen Bande weiter ausgebaut, aus einer Perspektive, die Putumayo ebenfalls immer wieder auf vielen Platten anvisiert hat: die der singenden Ladys. Das neue jugendliche Jazz-Gesicht und die traditionellen Tugenden des Great American Songbook werden hier, nach dem wohlvertrauten Rezept aus Stars und neuen Gesichtern, brillant vereint: Altehrwürdige Diven und junge Hüpfer in der Nachfolge von Billie Holiday, bluesige Harlem-Legenden und Delta-Damen mit archaischem Folk-Biss, Newcomer von Toronto und Vermont bis Texas und Louisiana, mit Zwischenstationen in London und Paris und stets bereit, neugierig Richtung Dixieland, Gospel, Gypsy und Klezmer zu spinksen. Erstmals gekoppelt auf Putumayo also: Jazzige und weibliche Energie!

Gleich zu Beginn die Geschichte einer erstaunlichen Lady: MELODY GARDOT aus New Jersey hat Musik im wahrsten Sinne des Wortes als Therapie für sich entdeckt. Nachdem sie bereits im Alter von 16 mit Jazz und Pop durch genau jene Bars von Philadelphia tingelte, die einst Bessie Smith und Dinah Washington auf den Bühnenbrettern beherbergten, traf sie drei Jahre später ein Schicksalsschlag: Auf dem Weg zur Uni wurde die Radelnde durch ein Auto erfasst, ein langer Klinikaufenthalt war die Folge - und der Beginn ihrer Songschreiber-Aktivitäten. Während der Reha hörte sie Stan Getz und entwickelte das Bedürfnis, selbst zur Feder zu greifen. Die Aufnahmen zur Debüt-EP Some Lessons - The Hospital Sessions entstanden dann auch wirklich noch am Krankenbett und riefen die Aufmerksamkeit des Produzenten Glenn Barratt auf den Plan, der die erste lange CD Worriesome Heart mit ihr auf Band bannte. Mittlerweile tritt Frau Gardot schon mit Herbie Hancock und Wayne Shorter auf. Zwischen Blues und Folk, verträumtem Understatement und launigem Jazz charakterisiert sie ihre Musik selbst als „post-midnight, mellow“. Und siehe da, der gar nicht schläfrige aber relaxte Titel „Goodnite“ passt als Auftakt zu dieser Scheibe mit seinen ausgeklügelten Piano- und Gitarrenphrasen zur wendigen und sehr individuellen Stimme doch prächtig.

MADELEINE PEYROUX wird des öfteren als Wiedergeburt von Billie Holiday tituliert. Im Gegensatz zu „Lady Day“ hat die Dame jedoch eine französische Vergangenheit, Peyroux wuchs zwar in den USA auf, verlebte ihre Teenager-Jahre jedoch in Paris. Und dort sammelte sie auch erste Erfahrungen als Sängerin: Mit 15 stand sie mit der Band The Riverboat Shufflers in den Gassen des Quartier Latin, schloss sich dann weiteren Ensembles an, mit denen sie durch ganz Europa tourte, Jazz und Blues von Fats Waller, Ella und Billie im Gepäck. Das katzenartige Timbre der Holiday hat sie durchaus geerbt, doch ihr musikalischer Ansatz geht weiter - vereint sie doch klassische Jazzattitüde mit den Kompositionen zeitgenössischer Songwriter. Ein formidables Beispiel hierfür ist die Leonard Cohen-Nummer „Dance Me To The End Of Love“, die hier mit Besenschlagzeug, pluckerndem Bass und elaborierten Piano-Pinselstrichen einen ganz „neuen“ Patina-Glanz bekommt.

Von all den Jazzsängerinnen der heutigen Generation hat die zweifache Grammy- Preisträgerin vielleicht den klingendsten Namen. CASSANDRA WILSON mischt seit Ende der 1980er prominent im Jazz Circuit mit. Bekannt wurde sie, als sie die herkömmlichen Bebop-Muster mit sehr reduzierten Arrangements versah und zu einer exzeptionellen Kombination von Mississippi Blues und geradezu archaischem US-Folk fand. Wilson stammt aus Jackson, Mississippi, und diese Delta-Verwurzelung hört man ihr deutlich an. In den Siebzigern sang sie schon, vor allem Folk, und das parallel zu ihrem Studium der Kommunikationswissenschaften. Doch als sie nach New Orleans kam, schulten sie Ellis Marsalis und andere Ikonen kräftig im Jazz. Die 1980er brachten zunächst ein Funk-Intermezzo in New York, das aber ohne nachhaltige Wirkung blieb. Blue Skies (1988), ein Tribut an Kollegin Betty Carter markierte schließlich die Hinwendung zum neuen Stil. Seit 1993 ist Cassandra bei Blue Note unter Vertrag, wo sie auf Alben wie Blue Light ’Til Dawn oder New Moon Daughter neue Schnittstellen zwischen Ur-Blues, Britpop, dem Songwriting einer Joni Mitchell und afrikanischer Musik schafft. Auf ihrem aktuellen Album Loverly hat sie sich der für sie seltenen Tugend des Jazz Standards-Singens verschrieben. Der hier ausgekoppelte Opener aus dem Werk, „Lover Come Back To Me“ vibriert mit dem Swing der 1940er und featuret die muntere, gestopfte Trompete von Nicholas Payton.

Ihre Wurzeln hat sie am Ural, doch bereits mit sieben, als die UdSSR zusammenbrach, kam SOPHIE MILMAN mit ihren Eltern nach Israel. Mit sechzehn schließlich ging die Reise weiter nach Kanada, eine Vorliebe für Ella Fitzgerald, Oscar Peterson und Count Basie hatte die der Tenny Sophie damals schon. Bevor sie die Früchte ihrer Jazz- Arbeit ernten konnte, musste Ms. Milman jedoch noch fünf Jahre warten – dann gelang ihr mithilfe eines Auftritts im Frühstücksfernsehen von Toronto der Durchbruch. Ihr Debüt wurde ein internationaler Erfolg, den Nachfolger ziert der Juno-Award (Kanadas Pendant zum Grammy). Coverstorys und Auftritte weltweit, etwa mit Aaron Neville und Chick Corea schlossen sich an. Auf „Lonely In New York“ bringt die weitgereiste Nachwuchs-Chanteuse mit ihrer charakterstarken, halbdunkel getönten Stimme dem Big Apple ein swingendes Ständchen, angereichert durch eine Gypsy-Geige und Klezmer-Anklänge.

Keine Verwandtschaft zu Tom Waits! Das sollte man vielleicht erst mal klarstellen. Obwohl sie ähnlich verschrobene Tendenzen an den Tag legen kann, wenn sie will. HOPE WAITS stammt aus Louisiana, wo sie ihre ersten musikalischen Erfahrungen in einer Baptistenkirche und einem Chor der Heilsarmee sammelte. Dass sie damals schon eigene Songs schrieb und auf einem Kassettenrecorder aufnahm, durfte in der streng religiösen Familie niemand wissen – sie versteckte das Material unterm Kopfkissen. Doch nach dem Tod ihrer Mutter kaufte die 21jährige sich eine Gitarre und die aufgestauten Songs und Gefühle brachen sich Bahn, mit einer Stimme, die zugleich unschuldig und dann wieder sehr schwül und sinnlich tönt. Gitarrist Peter Malick, auch für Norah Jones werkelnd, wurde auf ihr Talent aufmerksam und produzierte mit Hope ein Debütalbum, das eine beachtliche Spannbreite besitzt: von Bob Dylan zu klassischem Jazz, von R&B hin zu countryschwangeren Balladen. „I’ll Be Satisfied“ kennen einige vielleicht noch vom Crooner Jackie Wilson, Waits macht einen unwiderstehlichen Hybrid daraus, mit den Zutaten Dixieland-Bläser, Gospel-Orgel und Honky-Tonk-Drums.

Das gute alte Repertoire des Great American Songbook ist die Bibel einer fundierten Jazzausbildung. Auch bei den Sängerinnen der jungen Generation hat es offenbar noch nichts von seinem Reiz verloren, wie KATE PARADISE uns hier demonstriert. Das Standard „Mean To Me“ stammt aus dem Jahre 1929 und wurde seither von wahren Sängerlegionen aufgenommen. Paradise hat sich für ein sehr schlichte Umsetzung im angenehm zurückhaltenden Jazzquartett-Setting entschieden, mit allen Ingredienzien für einen gelungenen Jazzsong: Swingende Pianoarbeit, souveräne Grundierung der Rhythmus-Sektion, ein Scat-Solo der Sängerin und augenzwinkernde Lyrics. Als gebürtige Texanerin ist die 27jährige in New Hampshire aufgewachsen, und sie gehört zu jenen jungen Talenten, die vom Musikpädagogikprogramm des Berklee College Boston profitiert haben. Später setzte sie ihre Ausbildung im sonnigen Miami fort und wurde da schon vom renommierten Downbeat-Magazin mit dem Student Award ausgezeichnet. Heute lehrt sie Jazzgesang und bastelt von Nashville aus weiter an ihrer Karriere – ihre Debüt-CD You Stepped Out Of A Dream (2006) ist der überzeugendste Schritt ihrer Laufbahn.

Eine der schönsten Balladen der Jazzgeschichte, Billie Holidays „Lover Man“ erfährt bei JENNIFER HARTSWICK eine formidable Neubehandlung. Die Vermonterin stieg schon mit 15 ins Jazzstudium ein und machte alsbald die Bekanntschaft von Trey Anastasio, seines Zeichens Gitarrist der Band Phish. Anastasio buchte sie als vokalen Stammgast und ihm ist es zu verdanken, dass sich Hardswick schließlich auch entschied, das College für eine musikalische Vollbeschäftigung zu schmeißen. Auch für ihre Solo-Karriere, die sich ab 2003 entwickelte, arbeitete sie mit Anastasio als Produzent zusammen. Ihr zweites Album True (2007) besteht ausschließlich aus Jazz-Nummern, die sie mit frischer Energie interpretiert. Da staunte selbst Carlos Santana, dem über sie der Satz entfuhr: „A beautiful female energy!“

STACEY KENT kann man getrost als eine der großen Entdeckungen unter den weißen Jazzstimmen des letzten Jahrzehnts bezeichnen. Eigentlich war die junge Dame aus New Jersey ja nach Europa gekommen, um dort Sprachen zu studieren. Doch dann lief sie in Oxford einem gewissen Jim Tomlinson über den Weg, Berufsbezeichnung Jazzsaxophonist, und schon sang sie als „Frontfrau“ für ein Swing-Orchester. Von Soho aus arbeitete sie sich in der Londoner Szene vor, bis sie schließlich im ehrwürdigen Ronnie Scott’s Club für die großen Stars den Opening Act bestritt. Als Fan von Sinatra und Nat King Cole war Kent immer dem Great American Songbook verpflichtet und das lässt sich auf ihren seit 1997 veröffentlichten Alben auch prima beobachten. Viele Scheiben erreichten Goldstatus, so auch ihre aktuelle Breakfast On The Morning Tram (2007). Zu ihren Bewunderern zählt selbst ein Clint Eastwood, auf dessen 70. Geburtstag sie sang. Stacey Kent haucht den alten Jazz-Formeln mit einem untrüglichen Gespür für zeitgemäße Umsetzung neues Leben ein, so auch der Nummer „Shall We Dance?“ aus dem Broadway-Musical The King And I, das unter ihrer Vokalbehandlung höchst verführerisch wird.

Mit DELLA GRIFFIN unternehmen wir einen Schritt in die Jazzvergangenheit, verlieren aber keineswegs den Kontakt zum Jetzt. Die mittlerweile über 80jährige war eine der ersten Jazzdrummerinnen der Musikgeschichte und bekennt, seit ihrer Kindheit eine glühende Verehrerin von Billie Holiday zu sein. In den 1950ern startete sie in New York in Doo-Wop- und Jazz-Gruppen, wirkte dann über Dekaden im Blue Book Club von Harlem. Dort füllte sie auch das berühmte Apollo Theatre, spielte mit Count Basie und sang mit zahlreichen großen Jazz- und Bluessängerinnen, unter ihnen Etta Jones. Veröffentlichungen von Alben sind dünn gesät, doch herausragend ist ihre Scheibe von 1998, auf der sie ihrer Ikone Billie ein Denkmal gesetzt hat. „It Could Happen To You“ hat ebenfalls einen Holiday-Twist: Zwar stammt der Song aus dem Fundus der Big Band-Ära, doch so wie sie ihn unter die Lupe nimmt, könnte er glatt eine späte Aufnahme von “Lady Day” sein, gewürzt mit Sax- und Piano-Soli. 2005 machte Della Griffin, die über 40 Pflegekinder adoptiert hat, nochmals eher traurige Schlagzeilen: Ihr Haus in Vermont brannte ab – glücklicherweise waren keine Todesfälle zu beklagen.

Die soeben erwähnte ETTA JONES rundet unsere gepflegte Jazz-Exkursion ab: Ein Zufall brachte ihr den Durchbruch. Als sie 16 war, fiel in Buddy Johnsons Band die reguläre Sängerin, seine Schwester Ella aus und Etta trat an ihre Stelle. Diese Band wurde zum Brennpunkt des sogenannten „Jump Blues“, ein Genre, das Cab Calloway und Louis Jordan vorangetrieben hatten. Etta Jones blieb der energetischen Blues-Variante über ihre gesamte Laufbahn treu, die immerhin ein halbes Jahrhundert füllte. „Since I Fell For You“, ein Hit für Ella und Buddy Johnson im Jahre 1945, schlägt einen etwas ruhigeren Puls an, bluesig ist es trotzdem zu Genüge. Etta Jones’ Version rührt aus einem Tributalbum an Bandleader Buddy – eine phänomenale Interaktion zwischen „rollender“ Tastenarbeit und einer meisterhaften Vokalbeherrschung.

“It means a thing, because it definitely got the swing”, würde Duke Ellington angesichts dieser Vielfalt Jazzfrauen-Power sagen. Ob am Mississippi, am Hudson oder gar der Themse: Die Zukunft des Jazz scheint weiblich.

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