Cheb i Sabbah

Devotion

 

EXIL 91219-2 / LC 08972/ VÖ: 28.3.2008 / DISTRIBUTION: INDIGO

1. Jai Bhavani ( ) 7’57”
2. Koi Bhole Ram Ram ( ) 6’35”
3. Kinna Sohna ( ) 6’46”
4. Qalanderi ( ) 7’10”
5. Haun Vaari Haun Varaney ( ) 10’01”
6. Morey Pya Bassey ( ) 6’23”
7. Aaye Bhairav Bholanath ( ) 8’06”
8. Devotion ( ) 8’12”

Er ist US-Amerikaner jüdisch-algerischer Herkunft, doch wer seine Klangwelten kennt, weiß, dass sein liebstes Faible, seine Herzensheimat der Subkontinent ist. CHEB I SABBAH, einer der größten Pult-Eminenzen des Erdenrunds, ist nach Exkursionen ins Arabeske mit einem tief spirituellen Album nach Indien zurückgekehrt: Auf Devotion, seinem siebten Output für Six Degrees, präsentieren sich seine Soundscapes nun mit einem spirituellen Anstrich, der mit religiösem Kitsch aufräumt und die Tradition der Anrufungen auf einen packenden Global Dancefloor bringt. In acht elaborierten Dramaturgien entwirft der Mixer mit sechs meisterlichen Vokalisten sein bisher bezwingendstes und tanzbarstes Werk, das seelenvoll die Glaubenslehren zwischen Sufis, Sikhs und Hindus verknüpft.

Wenn diese Biographie nicht kosmopolitisch ist, welche ist es dann? Geboren wurde unser Mann im algerischen Constantine, eine Vielvölkerstadt par excellence mit arabischen und jüdischen Musiktraditionen, in der die Familie eifrig mittat. In den 1960ern kam Cheb I Sabbah bereits von Algerien nach Paris, wo er den Begriff des DJ überhaupt erst mit auf der Taufe hob, damals noch als Soulbegeisterter, aber schon mit einem Ohr in Richtung Indien, wohin er auch physisch recht früh zum ersten Mal reist. Ab 1971 experimentierte er im Dunstkreis des Living Theatre, später agierte er mit seiner eigenen Schauspieltruppe namens Tribal Warning. Die Achtziger erlebte er dann schon in San Francisco, wo er einer der schillerndsten Plattendreher der Bay Area wurde. Nusrat Fateh Ali Khan, Ornette Coleman oder Don Cherry – alle defilierten am Pult des Mixer-Gurus vorbei. Die Tanzbegeisterten - zunächst in Kalifornien, dann bis hinüber zur Ostküste - schätzen seine unermessliche Sammlung exotischer Schätze. Da passt es gut, dass er sich nach dem persischen Mystiker Hassan I-Sabbah benannte - Überlieferungen zufolge besaß der im 11.Jahrhundert die größte Bücherei der Welt.

Doch es dauerte tatsächlich bis zum Ende des Jahrhunderts, bis dieser Mann auch in der Alten Welt als Nestor der Global Dancehall bekannt wurde. Shri Durga, sein OEuvre von 1999 ist dafür verantwortlich, gleichzeitig seine erste Veröffentlichung fürs Frisco-Label Six Degrees. Das Album kommt in einer Zeit, als der sogenannte Asian Underground längst seinen Zenith überschritten hat und offenbart einen ganz neuen Umgang mit indischen Wurzeln. Es ist kein kantiger Drum’n’Bass, der hier zu den hindustanischen Traditionen tritt, sondern vielmehr dubbige und großflächig atmende Strukturen, die symbiotisch in die Roots Indiens hineinwachsen. Echte Sänger, unter ihnen der Meister Ustad Sultan Khan, und echte Instrumente, keine Samples, so die Strenge Maxime von Cheb I Sabbah.

Die Indien-Reihe wird auf Six Degrees zu einer Trilogie geweitet, mit den Maha Maya-Remixes und Krishna Lila, das uns vom Norden Indiens in den Süden, zur karnatischen Musik entführt und noch filigraner wirkt. Zwischenbilanz auf dem kalifornischen Label zieht er mit einem DJ-Set namens As Far As, auf dem er seine persönlichen Favoriten von Natacha Atlas bis Trilok Gurtu vorstellte.

Für Überraschungen immer gut, wendet sich der Cheb sodann seinen ureigenen Wurzeln zu und kreiert mit La Kahena ein pan-arabisches Gemälde, in das er Elemente aus der Musik der Berber, Gnawa und Tuareg bündelt, im Verbund mit legendären Raï-Diven und Mitgliedern von Transglobal Underground. Auf La Ghriba finden sich wiederum Remixes seines Maghreb- Ausflugs, die er - wie bereits bei Maha Maya – geistesverwandten Kollegen von MIDIval PunditZ bis Bill Laswell überlassen hat.

Mit der siebten Scheibe nun also die Rückorientierung ins Reich indischer Klangfarbenpracht. Devotion fasst Cheb I Sabbahs intensive Beziehung zu den spirituellen Seiten Indiens wie in einem großen Brennspiegel zusammen. Waren schon die vorhergehenden Indien-Alben an Gottheiten gerichtet (Shri Durga an die Hindu-Göttin Durga, Krishna Lila an Lord Krishna), so taucht diese CD noch mehr ein in die Glaubensvorstellungen Südasiens. Die Faszination an ihnen ist für den Musiker nicht oberflächlich oder eine Frage von Kolorit. In die heiligen Zeremonien tauchte er selbst ein: Er war anwesend bei der Kumbh Mela von Allahabad, der rituellen Waschung im Ganges, an der alle 12 Jahre 70 Millionen Gläubige teilnehmen. Und er lebte mit dem ältesten Orden der heiligen Männer, den Naga Babas. Persönlich fühlt er sich dem vedischen Hinduismus zugeneigt, der aus den vorbuddhistischen Strömungen entstanden ist, doch in den acht Stücken vereint er nicht nur Elemente aus dem Hinduismus, sondern auch aus dem Glauben der Sikhs und der Sufis.

Der Opener „Jai Bhavani“, richtet sich an die Göttin Bhavani, eine andere Manifestation von Durga, Devi oder Shakti, und wird vom Sänger ANUP JALOTA übernommen, der bekannt ist für seine Interpretationen von Bhajans (religiöse Call-and-response-Gesänge der Hindus) und Kirtans, den Anrufungen im Sikhismus. Ebenfalls auf die Sikh-Gesänge rekurriert „Koi Bole Ram Ram“: Der renommierte Vokalist RANA SINGH kündet hier davon, dass alle Menschen zum gleichen Gott beten, ob er nun Rama oder Khuda genannt wird. Die seelenvolle Stimme befindet sich dabei in vollem Einklang mit der singenden Sarangi und den groovenden Tablas. Es folgen zwei Tracks aus der Sphäre der Sufi: Wenn der junge MASTER SALEEM in „Kinna Sohna“ seine Phrasen erhebt, glaubt man, einen würdigen Nachfolger Nusrat Fateh Ali Khans zu vernehmen – und tatsächlich, die hier vom Cheb in ein atmosphärisch-weitschwingendes Szenario mit Flötengirlanden verwandelte Tune stammt aus der Feder des verstorbenen Qawwali-Meisters. In einer ebenso erlesenen Nachfolge steht RIFFAT SULTANA, die als Tochter von Nusrats Guru Ustad Salamat Ali Khan mit ihren Vocals ebenso im Zentrum einer trancegleichen Version eines Qawwali-Klassikers steht – bis zum fast technoartigen Finale.

Wiederum in einer Gesangstradition der Sikhs, dem Gurbani, steht „Haun Vaari Haun Varaney“, das Cheb I Sabbah in einen großflächigen Dub verwandelt hat, die der noch unbe-kannte HARNAM SINGH bestreitet. Einer Legende der indischen klassischen Musik hingegen begegnen wir in „Morey Pya Bassey“. SHUBHA MUDGAL (einige mögen sie aus dem Soundtrack zu Dance Of The Wind kennen), leitet ergreifend durch diesen Bhajan, der ein swingendes Fundament über der Bansuri-Flöte bekommen hat. Sein Thema ist das der Sehnsucht nach Gott. In „Aaye Bhairav Bholanath“ gibt es ein Wiederhören mit Anup Jalota, ein fast gospelartiges Stück, das sich dem Lob von Shiva verschrieben hat.

Im finalen Titelstück hat Cheb I Sabbah schließlich eine Klanglandschaft geschaffen, die wie ein akustisches Tagebuch die Magie ganz Indiens erfasst hat: Die Ganges-Badetreppen von Benares, die Gassen des alten Delhi, Muezzins und Tempelglocken, Marktplatzgewimmel, Schulkinder, Vogelgezwitscher und Pfauenrufe, Rezitation aus dem heiligen Sikh-Buch Guru Granth Sahib – all das zieht vorüber – ein unvergleichliches Kino-Erlebnis für die Ohren. Mit diesem Album rührt Cheb I Sabbah an die kollektive religiöse Seele eines riesigen Kulturraumes - Devotion ist eine 62minütige Symphonie der Gebete.

für weitere Infos:
www.chebisabbah.com/
www.sixdegreesrecords.com/artists.php?artist=Cheb_i_Sabbah

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