Putumayo Presents:




TANGO AROUND THE WORLD

EXIL 90674-2 / VÖ: 9.11.2007 / DISTRIBUTION: INDIGO

1. Ousmane Touré: “Dimba” (Ousmane Touré/Pascal Lafa/Jean-Louis Mary) 3’38“
2. M.A. Numminen & The Neo Rustic Tango Orchester: “Kangastus” (S. Pietiäinen/M.A. Numminen) 3’44“
3. Melingo with Florencia Bonadeo: „Leonel El Feo“ (Florenica Bonadeo/Melingo) 2’41”
4. Fortuna: “Tango Idishe” (Unkown Author) 2’57”
5. Federico Aubele: “Pena” (Federico Aubele) 3’13”
6. Electrocutango: “Felino” (Sverre Indris Joner) 4’06”
7. Alexis Kalofolias & Thanos Amorginos: “Gia Ligo” (Alexis Kalofolias/Thanos Amorginos) 3’57”
8. Earth Wheel Sky Band: “Gipsy Tango” (Olah Vince) 2’50”
9. Liana: “Estrela Da Tarde” (Ary Dos Santos/Fernando Tordo) 4’01”
10. Cáceres with Ariel Prat: “José Mármol Y Tarija“ (J.C.Cáceres/Sophie Lemaire) 2’42”
11. Hugo Díaz: “Mi Buenos Aires Querido” (C.Gardel y Le Pera) 2’27”


Der Tango ist heute ohne Zweifel das am weitesten verbreitete Musikgenre, das Lateinamerika hervorgebracht hat. Entstanden in den Hafenspelunken und Bordellen von Buenos Aires als raue, ungeschliffene Kreuzung afrikanischer Rhythmen, den Mitbringseln italienischer, spanischer und deutscher Einwanderer, mit Vorfahren in der kubanischen Habanera und der uruguayischen Milonga, war der Tango von Beginn an die Manifestation eines Vielvölker-Hybrides. Machismen genau wie Feminismen, romantische Verse genau wie ungezügelte Leidenschaft und Fantasien über Sexualität hat er aufgesaugt, den ungestümen Tanzboden der Kaschemmen genauso kennen gelernt wie die Eleganz der Ballsäle. Kein Wunder, dass der Tango universell verständlich ist und in seiner Entwicklung nie aufgehalten werden konnte. Von seinen afrikanischen Wurzeln ging die Reise zu den großen Tango-Orchestern der 1930er bis 1950er. Er erlebte Modewellen von Paris über Deutschland und Finnland bis hin zum Bosporus und wurde schließlich durch Piazzolla im Nuevo Tango zu einem Bestandteil der klassischen Musik. Heute residiert er als Tango Electronico in den Clubs und Lounges, und während ein hippes Metropolenpublikum zu ihm schwoft, findet er sich noch genauso bei den kleinen Leuten auf dem Land, etwa in den finnischen Weiten. Putumayo hat – ganz in der Tradition der Reggae- und Salsa Around The World-Scheiben – dem Tango an unerwarteten Schauplätzen nachgespürt: In Norwegen, dem Senegal und der jüdischen Gemeinde São Paulos, in Griechenland, Serbien und Portugal und in der unvergleichlichen Vorstellungswelt des Finnen M.A.Numminen. Argentinien ist freilich auch vertreten: Mit unorthodoxen Exil-Poeten, Instrumentalisten und DJs, die dem Nationalgenre eine neue Zukunftspforte öffnen.

Ein Teil der Erlöse aus dem Verkauf dieser CD geht an die Organisation L.I.F.E. Argentina. ”Luchemos Por Una Infancia Feliz Y Con Esperanza” übersetzt sich mit “Wir kämpfen für eine Kindheit voller Glück und Hoffnung”. Der Name ist Programm: L.I.F.E. setzt sich als Non-Profit-Organisation dafür ein, dass das Leben armer Kinder verbessert wird. Der grundlegende Auftrag besteht darin, für Aktivitäten im Freizeit- und Erziehungsbereich sowie in der Kultur dafür zu sorgen, dass diese Kinder in die Gesellschaft integriert werden können und ihnen eine gesunde Entwicklung ermöglicht wird. WEITERE INFOS: www.lifeargentina.org

Eine Überraschung gleich zum Start: Tango im Senegal? Das macht zunächst ein wenig skeptisch. Doch wenn das Wagnis von einem so versierten Musiker wie OUSMANE TOURÉ unternommen wird, sind schnell alle Zweifel ausgeräumt. Der Mann mit der schmelzenden Stimme ist eng mit der Bandhistorie von Touré Kunda verknüpft. Als bei den Pionieren des Afro-Pop 1983 sein Bruder Amadou nach einem Auftritt auf tragische Weise verstarb, sprang Ousmane in die Bresche. Bis 1990 war er dann Frontvokalist bei der Starformation aus der südlichen Senegal-Region Casamance, arbeitete anschließend in den Staaten mit Prominenz wie Manu Dibango. 2000 nahm er in Dakar sein erstes Soloalbum auf, das sich noch rein akustisch gab. 2004 folgte sein Magnum Opus mit Avenue Du Monde, auf dem er meisterhaft Afrika mit der Welt verbindet, Funk und Pop mit kubanischem Flair und Cabaret-Klängen paart. „Dimba“ ist die Tangofacette des Werks – hier singt er zum Bandoneon im Idiom Mandinka über die unauslöschliche Flamme, die den Erfolg symbolisiert und zugleich im Kern jedes lebenden Wesens flackert.

Nicht nur bei Tango-Aficionados hat es sich herumgesprochen, dass nach der argentinischen die finnische Tango-Szene die lebhafteste der Welt ist. Auch wenn sie freilich mit ihrer nordischen Melancholie entwicklungstechnisch genauso eng an russische Romanzen und den deutschen Marsch gebunden ist wie an die Klänge vom Rio de la Plata. Die Finnen identifizieren sich derart mit dem Tango, dass er zur nationalen Institution wurde, auf ländlichem wie städtischem Tanzboden seit den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg fest verankert ist. In den 1960ern waren Tangoaufnahmen genauso beliebt wie die aktuellen Hits der Beatles. Eine der kuriosesten Gestalten des heutigen Finnentangos ist M.A.NUMMINEN – eine kauzige Figur, die als Autor skurriler Bücher (auch über den Tango!) genau wie als Komponist verschrobener Miniaturen (nicht nur Tango!) eine Ikone wurde. Er singt den Tango meistens auf Deutsch und belegt ihn mit ironisierten Versen von geschiedenen Frauen oder traurigen Pferden. „Kangastus“, eingespielt mit seinem Neo Rustic Tango Orchestra, ist zur Abwechslung mal eine schöne Instrumentalnummer, die den schwermütigen Geist des Finn-Tangos prächtig einfängt.

Mit seinem progressiven Tango-Label Mañana hat der Gotan Project-Mitbegründer Eduardo Makaroff eine Lanze für den Tango des 21. Jahrhunderts gebrochen: In seinem Verlag veröffentlicht er alle kreativen Facetten des Genre von eher klassischem Ansatz über afrikanisch angetupfte Klänge bis zu elektronischen Tendenzen. Eine seiner Galionsfiguren ist DANIEL MELINGO, der schon in den 1980ern Argentinien als Rocker aufmischte, mit klangvollen Bands wie Los Abuelos Of Nada. Später siedelte er nach Spanien über, bevor er sich Ende der Neunziger zum Tanguero wandelte. Der Mann mit der Reibeisenstimme, dem schon Vergleiche mit Lou Reed und Tom Waits zuteil wurden, bereichert das Genre durch unorthodoxe Singer/Songwriter-Miniaturen mit Folk- und Jazz-Anteilen, webt gar indische Einsprengsel in seine Nummern. “Der Kerl ist ein unglaublich cleverer Produzent, der schon vor dem Gotan Project Stile kombiniert und Remixes seiner eigenen Stücke fabriziert hat – er nimmt sich Freiheiten heraus wie kein anderer!“, urteilt denn auch Labelchef Makaroff über seinen Artist. „Leonel El Feo“ ist eine Hommage an den Tanguero Edmundo Rivero, und neben den Vocals seiner Partnerin FLORENCIA BONADEO hat Melingo heimlich eine indische Tabla ins Arrangement gemogelt.

Kann sich noch jemand an FORTUNA erinnern? Die Brasilianerin hat sich vor sieben Jahren schon auf der Putumayo-Sammlung Jewish Odyssey mit einem Friedenslied hervorgetan. Die Dame gehört der größten jüdischen Gemeinde Südamerikas an und war zunächst mit Bossa Novas unterwegs. Später – inspiriert durch Träume – schwenkte sie auf den Pfad sephardischer und jüdischer Musik ein, veröffentlichte vier Alben zwischen Klezmer, jiddischen Liedern und Ladino-Liedkunst und recherchiert unermüdlich über die jüdische Kultur in Südamerika. Ihr „Tango Idishe“ ist ein Hybrid aus Tango und Klezmer auf der Basis eines der bekanntesten jiddischen Lieder, nämlich „Spiele mir a Liedele in Jiddish“.

Zurück ins Heimatland des Tango, wo auch loungige Tendenzen des Genres ein Plätzchen gefunden haben. Zunächst stand die Musik von Buenos Aires gar nicht auf der Agenda des Gitarristen, Komponisten und DJs FEDERICO AUBELE. Doch der Porteño (so heißen die Bewohner von Buneso Aires) entdeckte nach einer Begeisterungsphase für britischen Rock und Punk ruhigere Fahrwasser, arbeitete mit verträumten Bandoneon-Phrasen und sphärischem Setting. Seine Demos gerieten bei den Washingtoner Chill-Künstlern Thievery Corporation gerade an die Richtigen und ermöglichten es Aubele, sein Debüt Gran Hotel Buenos Aires auf ihrem Label zu produzieren. Seine coolen Grooves aus Latingitarren, dubbigen Bässen und zarten, sehnsuchtsvollen Vocals setzen sich auch auf dem Zweitling Panamericana von 2007 fort. Aus diesem neuen Opus stammt auch „Pena“, eine Kreuzung aus Tango und Bolero, die in sanften Zeilen den Schmerz über eine verflossene Liebe ausdrückt, just jenen Moment, der signalisiert, dass man keine Gefühle mehr für den Ex-Lover empfindet.

Noch mehr nordische Tango-Töne: Sverre Indris Joner ist als Komponist, Pianist und Produzent das Mastermind von ELECTROCUTANGO, die in einer Weltengegend beheimatet sind, wo man das Genre nun wirklich nicht vermutet hätte, in Norwegen. Doch Joner fährt gleich mehrgleisig auf Abwegen: Er ist außerdem Mitglied des Trios Tango for 3 und bringt den Skandinaviern mit La Descarga Salsaschritte bei. Spezialisiert auf die Musik Lateinamerikas hat er sich schon während der Uni-Zeit in Oslo, ging später nach Havanna, um vor Ort zu lernen. Die Tracks von Electrocutango sind inspiriert von Joners Filmmusik zu TanGhost, eine Tango-Adaption von Henrik Ibsens Bühnendrama Geister, in der der Tänzer und Sänger Pablo Veron (bekannt aus Sally Potters Film Tango Lesson) mitwirkte. Am Piano kreiert Joner auf dem aktuellen Opus „Felino“ mit Mikael Augustsson (bandoneón), Steinar Haugerud (b) und Antonio Torner (perc) einen Electrotango, der an die schwüle Raffinesse des Gotan Project gemahnt.

Das angestammte Betätigungsfeld von ALEXIS KALOFOLIAS und THANOS AMORGINOS ist der Tango nicht gerade. Das griechische Musikerduo ist vor allem für den Garagenrock mit The Last Drive bekannt, einer Band, die sich im Hellas der späten 1980er und frühen 1990er enormer Popularität erfreute. Ihre nächste Station war das Fusionprojekt Earthbound, das mit Einflüssen nahöstlicher Provenienz werkelte. „Gia Ligo“ ist ein Resultat ihrer gemeinsamen Soundtrack-Arbeit für den Film Sose Me (2002) von Stratos Tzitzis. Ihre Loops ranken sie dabei clever um ein Gesangssample von Danae Sratigopoulou aus dem Jahre 1948, als das Tangofieber auch den Südosten Europas erfasst hatte. “Ich wünschte, du würdest nur für eine kurze Weile zu mir kommen, nur für eine Nacht, um meine fürchterliche Dunkelheit mit Licht zu füllen”, heißt es im Text des Evergreens.

Olah Vince ist einer der wichtigsten Fürsprecher der Roma. Der Gitarrist und Sänger aus dem serbischen Novi Sad kämpft für mehr politische Rechte seines Volkes, ist in verschiedensten Kulturinitiativen engagiert und zugleich ein Ver-fechter libertären Denkens. Musikalisch bündelt er mit seiner EARTH WHEEL SKY BAND ein faszinierendes Kaleidoskop: In ihm vermählen sich die Region Vojvodina, von jeher von verschiedensten Kulturen durchtränkt, mit spanischen, russischen und sogar indischen Farbtupfern. Klarinetten und Trompeten siedeln neben orientalischen Kaskaden, auch der Weg der Rumba auf den Balkan wird demonstriert. Oder es finden sich plötzlich Rhythmen aus Buenos Aires in einer Kreation, wie hier im „Gipsy Tango“, den außerdem das Spiel auf dem Balkan-Hackbrett Cimbalom ziert. Vince zelebriert hiermit zugleich die Seelenverwandtschaft der Musik der Roma mit dem Tango, denen beiden ein leidenschaftliches Feuer innewohnt.

Unter allen Neo-Fadistas, auf die Portugal zu Beginn des 21. Jahrhunderts bauen kann, hat sich LIANA als eine der mutigsten Erneuerinnen des Nationalgenres erwiesen. Nicht, dass sie sich von ihren Wurzeln entfernt hätte: Tief gegründet im Fado-Gesang wurde ihr die Ehre zuteil, die große Amália Rodrigues in einem Musical zu verkörpern, nachdem sie als Teenager bereits etliche Preise gewonnen hatte. Ihr erstes Album trägt den signifikanten Namen Fado.pt und deutet damit unmissverständlich ins Internet-Zeitalter. Von der neuen Wahlheimat London aus schickt Liana ihre Fusion aus Fado, Elektronik und Tango in die Welt, wie hier in “Estrela Da Tarde” (Abendstern). Die Koppelung der portugiesischen und argentinischen Stile klappt auch deshalb so formidabel, da sie viele parallele Entwicklungsstränge aufweisen: Beide sind dramatische und poetische Lied- formen, die in den Kaschemmen der jeweiligen Häfen Lissabon und Buenos Aires aufkeimten, dort, wo sich unterschiedlichste Mosaiksteinchen der Kulturen zusammenfügen konnten. “Meine Liebe, mein Abendstern”, singt Liana, „der Mond geht auf und mein Körper wartet auf dich. Ich bin nicht sicher, ob du meine Freude oder meine Sorge bist.“

Eine weitere Enthüllung des Labels Mañana wird uns jetzt geschenkt: JUAN CARLOS CÁCERES ist eines der Urgesteine der modernen Tango-Poesie aus Paris. Just im studentischen Revolutionsjahr 1968 kam der Mann aus Buenos Aires nach Frankreich. In der Heimat war er der Paradiesvogel der Existentialisten- und Jazz-Szene gewesen, an der Seine agierte er nicht weniger umtriebig: Er rief zwei Bands ins Leben, engagierte sich als Dozent der Künste und recherchierte eifrig über die Musik des Rio de la Plata. Sein neuestes Forschungsgebiet ist die Murga: Eine Gattung, die tief in den afrikanischen Wurzeln des Tango eingeschrieben ist, eine Straßen- und Karnevalsmusik, von der bis vor kurzem kaum noch jemand wusste und die nun aus dem Untergrund wieder nach oben dringt. Cáceres hat die Murga zu einer neuen Kunstform erhoben, indem er mit den rhythmisch geprägten Elementen als Grundierung richtige Murga-Chansons schreibt. Mit seinem Sangespartner ARIEL PRAT, ebenfalls ein Erforscher der afrikanischen Aspekte des Tangos, singt Cáceres in „José Mármol Y Tarija“ von den lebendigen Straßenszenerien der Hafenviertel Buenos Aires.

In diesen Hafen schwenken wir auch zum Finale ein und landen bei einem der Großen nicht nur des Tango Argentino: Der 1927 geborene HUGO DIAZ bereicherte mit seiner Mundharmonika vor allem Folklorestile wie die Zamba, Milonga und Chacarera seiner Heimatregion um Santiago del Estero. Doch Díaz hat es geschafft, die Klänge des Bandoneon auf seinen Mundhobel zu übertragen und sich damit internationale Anerkennung von Publikum und Harmonika-Kollegen verschaffen, unter anderem die von Toots Thielemans. Kurz vor seinem Tod im Jahre 1977 spielte Díaz etliche Tango-Standards ein, darunter das allseits bekannte “Mi Buenos Aires Querido”, das sich auch im Repertoire des großen Carlos Gardel fand.

Ob auf dem nordischen Tanzboden, in den neonlichterfüllten Clubs der Großstadt, ob in den kreativen Studios von Paris und Buenos Aires, in der Volksseele der Roma oder der Portugiesen – der Tango des 21. Jahrhunderts umspannt mit vielen Gesichtern den ganzen Erdball.


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