William Cepeda & Afrorican Jazz

My Roots & Beyond

EXIL 8728-2
LC 08972

DISTRIBUTION: INDIGO

 

Dem kubanischen Nationalhelden, Dichter und Unabhängigkeitskämpfer José Martí wird der Ausspruch zugeschrieben, Kuba und Puerto Rico seien wie die zwei Schwingen eines Vogels. Beide Inseln verbindet nicht nur eine gemeinsame Geschichte als am längsten (nämlich bis zur Jahrhundertwende) zum spanischen Imperium gehörende Kolonien Amerikas, sondern ebenso eine Reihe kultureller, d.h. auch musikalischer Parallelen, mehr als mit der geografisch zwischen beiden Ländern gelegenen Dominikanischen Republik.

Einen gewaltigen Unterschied aber gibt es in der Außenwirkung beider Kulturen. Kein Land der Erde hat - gemessen an seiner Größe - einen solchen Einfluß auf die Musikentwicklung im 20. Jahrhundert ausgeübt wie Kuba, das gut dreimal soviele Einwohner hat wie Puerto Rico. Auch der überwiegende Teil dessen, was unter dem Etikett "Latin Jazz" daherkommt, müßte eigentlich korrekterweise als "Afro-Cuban Jazz" bezeichnet werden. Nur wenige Musiker haben die Tradition anderer Länder des Subkontinents in den Jazz eingebracht, wie z.B. Monty Alexander und Ernest Ranglin (Jamaica), Gato Barbieri und Dino Saluzzi (Argentinien), Michel Camilo (Dominikanische Republik) oder Othello Molineaux (Trinidad). Selbst die meisten Boricuas (Kurzwort für Puertoricaner) der New Yorker Latin Jazz-Szene stehen mehr in der kubanischen Tradition als in ihrer eigenen.

Der bisher hoffnungsvollste Versuch, diesen Zustand zu ändern, ist My Roots And Beyond von William Cepeda, dessen Titel programmatisch ist. Der Posaunist, der wie sein Instrumentenkollege Steve Turre auch auf diversen Muschelhörnern spielt, kommt aus Loíza, einem Vorort der Hauptstadt San Juan, und entstammt einer Musikerdynastie, die für PuertoRico ähnliches Gewicht hat wie die "Lopez"-Bassisten- oder "Rubalcaba"-Pianisten-Familie in Kuba. Als Posaunist hat Cepeda bereits beachtliche Credits aufzuweisen. Er spielt mit Jazzern wie Donald Byrd, Jimmy Heath, Slide Hampton, David Murray oder Lester und Joseph Bowie, diverse Latino-Stars bedienen sich seiner Fähigkeiten, z.B. Eddie Palmieri, Tito Puente, Oscar d'Leon oder Celia Cruz. Dizzy Gillespie holte ihn in sein United Nation Orchestra, mit dem er auch Miriam Makeba begleitete; und noch heute gehört er dem Orchester an, das seit Dizzys Tod von Paquito d'Rivera zusammengehalten wird.

Stilistisch bedient sich Cepeda aus verschiedensten Quellen. Neben der puertoricanischen Tradition (vor allem den diversen Bomba und Plena-Rhythmen) und so gut wie allen Formen des modernen Jazz finden sich auf My Roots And Beyond auch Einflüsse aus Funk, Rock, HipHop und afrikanischer Musik. Auch die Herkunft der Gastmusiker spricht für ein breitangelegtes Konzept: Mit dabei sind u.a. die Posaunisten Slide Hampton (USA) und Luis Bonilla (Costa Rica), der Kubaner Paquito d'Rivera (Altsax/Klarinette) und der mexicanische Trompeter Tony Lujan. Trotzdem bleibt die persönliche Handschrift von William Cepeda, der auch für die meisten Kompositionen verantwortlich zeichnet, in jedem Stück spürbar.

1. BOMBA SWING beginnt mit einem Keyboard-Solo von Eric Figueroa, das in einen Bomba-Groove übergeht, während der B-Teil jazzmäßig swingt. Auch während der Soli von Cepeda und Hampton wechseln sich beide Rhythmen ab, bevor das Stück mit einem Vokalteil schließt, der seine Wurzeln im Karneval von Loíza hat.

2. PONTE PA'L MONTE verbindet die Bomba-Rhythmen der Küste mit einer Melodie aus der Jibaro-Tradition des Landesinneren. Jibaro-Altmeister Yomo Toro erhält hier Raum für ein virtuoses Solo auf dem Quatro, einem mit vier Doppelsaiten bespannten gitarrenartigen Instrument (ähnlich dem kubanischen Tres, das jedoch zwei Saiten weniger hat).

3. PA' MI CUEMBE beruht, wie der Name sagt, auf einem speziellen Bomba-Groove, dem etwas in Vergessenheit geratenen Cuembé, überlagert von Rhythmen aus Costa Rica, der Heimat des Posaunisten Luis Bonilla, der nicht nur solistisch in Erscheinung tritt, sondern auch das Arrangement beisteuerte. Bemerkenswert das Gitarrensolo von Raúl Romero.

4. WAITING FOR CARMEN widmete William Cepeda seiner mittlerweile verstorbenen Schwester, auf die er wartete, als er das Stück komponierte, das auf einem Bomba-Rhythmus im 6/8-Takt basiert, der Yubá. Das Thema enthält im B-Teil eine spanische Färbung, die über den ganzen Titel hinweg entwickelt wid.

5. TOCA MI CARACOL (Spiel meine Muschel) stellt eine Reminiszenz an Cepedas Kindheit dar, als er häufig auf Muscheln spielte, die er erst vor kurzem wieder für sich entdeckte. Zwei Bomba-Rhythmen kommen hier zum Einsatz, (Sicá im 8/8- und Yubá im im 6/8-Takt) ebenso wie ein urafrikanisches Musikelement: das Prinzip von Ruf und Antwort, umgesetzt einerseits mit einem Chor und andererseits mit den Muscheln von Cepeda und Omar Kabir, der auch ein brilliantes Trompetensolo spielt.

6. QUASI PLENA demonstriert den neben der Bomba wichtigsten Rhythmus Puerto Ricos: die Plena. Das Stück entstand aus dem Volkslied "Cuando Las Mujeres", dessen relativ einfache Akkord-Struktur von William Cepeda durch moderne Jazz-Harmonien erweitert wurde. Nach ausgedehnten Soli von Cepeda (Posaune) und Paquito d'Rivera (Altsax) endet das Stück als traditionelle Plena.

7. FOR NOW AND FOREVER, eine Komposition der Jazzpianistin Michelle Rosewoman, wird durch William Cepedas Arrangement mit Rhythmen und Liedformen aus seiner Heimatstadt Loíza angereichert. Die Soli kommen von Donny McCaslin (Sopransax), Uli Güssendoerfer (Piano), Cepeda (Posaune) und Tony Lujan (Trompete).

8. SARA ist ein populäres Stück aus der puertoricanischen Danza-Tradition, die - ähnlich wie der kubanische Danzón - aus der afrikanisierten Contradanza entstand, deren europäischer Urprung im englischen Country Dance vermutet wird. Das Arrangement kombiniert die Danza-Melodie mit Bomba-Rhythmen, über denen sich William Cepeda und Slide Hampton als Posaunensolisten die Bälle zuwerfen. Mit einer furiosen Unisono-Passage aller Bläser klingt der Titel aus.

9. PA' MI GENTE präsentiert als tanzbarer Vokaltitel mit jazzigen Soli und komlexen Grooves die ganze Breite von William Cepedas musikalischem Horizont.

10. COLORS verbindet die Bomba-Rhythmen Yubá, Sicá und Holandéz mit Jazz, Rap und einer Prise Funk. William Cepeda und Donny McCaslin brillieren auf der Posaune bzw. am Tenorsax.

11. AFRORICAN JAM beginnt mit Muschelhörnern, die in das Thema überleiten, das sich aus der E-Baß-Linie von John Benitez entwickelt. Cepedas Band und fast alle Gastmusiker der Platte sorgen für ein solistisches Feuerwerk über einem brodelnden Groove, der sich nach jedem zweiten Solisten an einem anderen Bomba-Rhythmus orientiert.

MY ROOTS AND BEYOND hat definitiv das Zeug, sich zu einem Klassiker, einem Standard-Werk des AfroRican Jazz zu entwickeln. Und nicht umsonst wurde Cepeda hierzulande bereits mehrfach zum prestigeträchtigen MOERS Musik Festival eingeladen (so auch wieder im Jahr 2002).

Ebenfalls von William Cepeda bei EXIL erschienen:

Grupo Afro Boricua

William Cepeda

Bombazo

Branching Out

EXIL 8718-2
EXIL 9969-2

 

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