MANOU GALLO

Manou Gallo

EXIL 85337 / LC 08972/ VÖ:23.3.2007 / DISTRIBUTION: INDIGO

”Wir alle sind ‚Afropäer’, haben ein gemeinsames Ziel”, singt Manou Gallo in einem ihrer neuen Songs. “Wir beziehen alle Position, wir sind keine Führer, doch wir sind Lautsprecher.” Starke Worte von der hochenergetischen Bandleaderin, Bassistin und Perkussionistin aus der Elfenbeinküste, die uns vor dreieinhalb Jahren schon mit ihrem Debüt Dida den Atem verschlagen hat: Knackige Funk-Grooves mit HipHop-Einsprengseln, Rockgitarren, Blues-Riffs und vor allem immer wieder die charismatischen Chöre, die an Zap Mama erinnerten: Dieser Mix war bis dato einzigartig progressiv in der afrikanischen Musik und zugleich unglaublich urban – ein ausbalancierter Spagat, der die Biographie Gallos zwischen den Kontinenten schlüssig abbildete. Nun setzt die dynamische Ivorerin zum zweiten interkontinentalen Sprung an - ihrem Reifezeugnis, das sie selbstbewusst einfach Manou Gallo nennt. Ein Werk, das in Klang und Vers eine stolze Bande zwischen Schwarzafrika und dem Westen etabliert. Und wiederum stellen wir fest: Das Prädikat ”Powerfrau” ist heutzutage reichlich überstrapaziert – bei Madame Gallo jedoch passt es wie die Faust auf Auge, oder besser: Wie ihre wirbelnden Hände auf Griffbrett und Trommel.

Das trommelnde Mädchen
Die Geschichte der 1972 geborenen Manou Gallo hat mythische Qualitäten: Sie glaubt fest daran, dass ihre Urgroßmutter ihr auf dem Sterbebett genau jene Kräfte übertragen hat, die Manou zur Musik gebracht haben. Zunächst wächst sie ganz normal im kleinen Dorf Divo im zentralen Westen der Côte d’Ivoire auf, lernt schon als Kind die Wertschätzung für die Kultur der Djiboi, so der Name ihres Volkes. Was auffällt, ist die Anziehungskraft all dessen, was Beats erzeugen kann: Töpfe, Büchsen, Eisenstücke, Schenkel. Und so kommt es schließlich zum entscheidenden Moment ihrer Berufung: Bei einer Beerdigungszeremonie fehlt ein Trommler – und wie von fremder Hand gelenkt nimmt die achtjährige Manou seinen Platz am rituellen Schlagwerk ein, meistert ihren Part ohne jegliche Ausbildung. Ungläubig und geschockt nimmt dies die Dorfgemeinschaft wahr, die an Hexerei glaubt. “Ich spürte die Kraft meiner Vorfahren”, wird sie später sagen. Fortan ist sie akzeptiert und respektiert als Trommlerin, schult weiter ihre Fähigkeiten als Rhythmusgeberin und –schöpferin und ist hochgefragt, wenn es um Feierlichkeiten jeglicher Art geht.


Jugendidol und Künstlerdorf
Sie ist zwölf, als sie erstmals im Rahmen von Kulturferien aus Divo herauskommt und in einem musikalischen Schauspiel mit anderen Kindern ihre eigene Geschichte, die der kleinen, trommelnden Zauberin erzählt. Schließlich wird sie in die Reihen der Gruppe Woya aufgenommen, die von der Hauptstadt Abidjan herkommend in Divo Station macht. Hier entdeckt sie die elektronisch verstärkten Instrumente wie Gitarre, Schlagzeug - und den Bass. Darüber hinaus trifft sie auf ihren zukünftigen Mentor Marcein Yacé. Mit ihm und seiner Truppe tourt sie bis 1989 durch ganz Westafrika, erfährt, wie es ist, ein Jugendidol zu werden – denn die Band wird mit ihrer Afro-Zouk-Mélange äußerst erfolgreich. Nach der Auflösung der Combo bleibt Manou bei Marcein, der sie in Abidjan unter ihre Fittiche nimmt, ihr den ersten E-Bass vermacht und dafür sorgt, dass sie ins panafrikanische Künstlerdorf Ki-Yi Mbock gehen kann. “Zu diesem Zeitpunkt wusste ich schon: Ich will Musikerin werden und all meine Energie in dieses Ziel investieren”, erklärt die Zielstrebige.

Bei Zap Mama
Ki-Yi Mbock ist zu diesem Behufe die denkbar beste Umgebung: Sie lernt nicht nur eine Vielzahl traditioneller Stile und Rhythmen kennen, sondern wird auch Mitglied der Tanz- und Theatergruppe, nimmt an der Aufnahme eines Ray Lema-Albums teil. Ab 1992 weilt Zap Mamas Manager Michel de Bock mehrmals in Ki-Yi. Die Fähigkeiten der quirligen Nachwuchsmusikerin graben sich in seine Erinnerung – und kommen genau in dem Moment wieder an die Oberfläche, als Marie Daulne für ihre schillernde Band, die sich vom A-Cappella-Outfit zum knackigen Band-Act entwickelt, einen vakanten Bass-Posten hat. Manou Gallo wird nach Brüssel eingeladen und setzt sich trotz immensen Konkurrenzaufgebots binnen dreier intensiver Audition-Tage durch: Die neue Zap Mama-Bassistin ist gefunden.

“Marie und ich sind zwei wirklich starke Künstler-Persönlichkeiten. Die Begegnung war sehr fruchtbar, für beide von uns. Zap Mama bedeutete für mich eine Öffnung“, so beurteilt sie die Jahre, während derer sie mit der afro-europäischen Band um die Welt tourt. Doch ihr schöpferischer Freiheitsdrang ist noch größer als der Reiz, eine der “Zaps” zu bleiben. 1999 begibt sie sich in des Teufels Küche, indem sie als einzige Frau mit den fünfzehn kongolesischen Trommlern der Tambours de Brazza auf die Bühne geht. Und beim englischen Riesenfestival in Glastonbury gastiert sie bei den Weltbeat-Pionieren Dissidenten, die sie fortan öfters auf der Bühne begrüßen. Das neue Jahrtausend feiert sie schließlich mit der Rückkehr in die Heimat – neue Inspiration wird getankt: „Hier in Europa habe ich die Vermischung der Kulturen kennen gelernt, den weiten Blickwinkel. Aber jedes Mal wenn ich in mein Land zurückkehre, entdecke ich die Klänge und die Rhythmen aufs neue, die während der Kindheit in meinen Ohren widerhallten. Ich wollte jetzt eine Musik kreieren, die die verschiedenen Schritte meines Lebens in einem Mix wiedergibt.“

Le Djiboi und Dida
Nachdem sie ihre Erbsubstanz aufgefrischt hat, startet das große Vorhaben von der neuen Basis Brüssel aus: Benannt nach ihrem Volk heißt die Band, mit der sie 2001 den Schritt in ihre Solokarriere wagt, Le Djiboi. Und wie schon das kleine Mädchen in der Theatergruppe ihre Geschichte erzählte, tut sie dies nun auf multikultureller Ebene von einer höheren, atemberaubenden Warte aus auf dem ersten Album Dida, das 2003 erscheint. Auf Festivals in ganz Europa erlebt das Publikum die schier nicht zu bändigende Bühnenpräsenz von Manou Gallo & Le Djiboi:
Die fliegenden Rastazöpfe zwischen fulminantem Trommelgewitter, aufbegehrender Stromgitarre und funkigem Bass – ob auf der WOMEX in Sevilla, der MIDEM in Cannes, dem Afro-Pfingsten in Winterthur oder dem Africa-Festival Würzburg.

Doch die Rastlose hat 2005 schon ein weiteres Eisen im Feuer: Die “Manou Gallo Experience” spiegelt in einem Trio ihre Vision von der modernen afrikanischen Frau in Europa noch konzentrierter auf der Bühne wider. Und ihr Name wird nun auch auf anderen Kontinenten ein Begriff: Chicago, Louisiana, Mexico City und Johannesburg werden von der Show der ivorischen Miss Dynamite aus Divo in den Bann gezogen. Ein ganz neuer Horizont tut sich Ende des Jahres auf: Manou Gallo ist bei der Kreation des Theaterstücks La Femme Fantôme (aus der Feder der britischen Autorin Kay Adshead) dabei, entwirft Musik und Klänge für das Szenario und agiert an der Seite der ebenfalls schwarzen Schauspielerin Carole Karemera auch auf den Bühnebrettern. In der Produktion des Theâtre de Poche Bruxelles geht es um eine afrikanische Journalistin, die in England politisches Asyl sucht und in einem Monolog die entwürdigende Prozedur der Immigrationsbemühungen vor Augen führt. Das Stück ist so erfolgreich, dass es gerade eben, im Januar 2007 wiederaufgenommen worden ist.

Reife Rückkehr: Das neue Album
Parallel zu all dieser Umtriebigkeit reift jedoch die zweite Solo-Scheibe heran, die den wohl gewaltigsten Schritt in der Laufbahn Manou Gallos bedeutet. “Dida habe ich noch zusammen mit Freunden aufgenommen, das neue Album ist viel persönlicher, viel reifer. Ich habe nun alles in Eigenregie entwickelt und bin für das Konzept, die Arrangements und die Produktion selbst verantwortlich, spiele auch fast alle Gitarren und die Perkussion – deshalb habe ich es einfach Manou Gallo genannt. Dieses Album bin ICH”, sagt sie stolz. “Und es ist nicht mehr eine Musik, die die Texte begleitet, der Bass und die Rhythmen sprechen mit einer genauso starken Stimme wie die Texte.” In einem kreativen Kraftakt hat die 35jährige ein gewaltiges Spektrum aufgefächert: Vom funkigen Uptempo-Opener, der die Brücke Abidjan – Brüssel feiert, über die Innerlichkeit einer Ballade von gescheiterter Liebe geht die Reise, macht Station bei einem nächtlichen Duo-Flanieren mit der Gesangesschwester Véronique Jêrome, preist über verzahnten Beats die Frauen auf der ganzen Welt. Apropos Fraulichkeit: Auch hier ist ein Wandel zu erkennen. “Früher wollte ich immer stark und cool wirken”, reflektiert sie. “Doch jetzt habe ich meine Sensibilität, meine Intimität entdeckt. Jetzt singe ich auch über die Liebe.”

Manou Gallo spielt mühelos auf der Klaviatur der interkontinentalen Grooves, schichtet ihre Stimme mal in unbeschwerten Chören, dann wieder in schmerzerfüllter Klage über den Tod des geliebten Mentors Marcelin Yacé, oder ruft zur panafrikanischen, ja planetarischen Solidarität auf. Sie vermittelt spielerisch zwischen erdig-handgemachter Trommelarbeit, den festiven Rhythmen der Djiboi und Drum’n’Bass-artigen Einschüben, führt gewagt von harschem Hipfunk zu melancholischen Passagen. Und lässt schließlich im Finale ihren Werdegang vom trommelnden Mädchen zur reifen Musikerin als fröhlichen Rundgesang Revue passieren. In einigen Tracks greift sie auf Sidemen und –women zurück, die besondere Färbungen in den persönlichen Sound einbringen: Wah Tanga Rema aus Burundi treffen wir wieder, seine Talente ertönten schon auf Dida, darüber hinaus war er schon in den Reihen von Zap Mama als gewitzter Vokalist zu finden, hat sich in der Vergangenheit für Landsfrau Khadja Nin als Songschreiber betätigt oder für Charlie Mariano und Jasper van’t Hof auf der Pork Pie-Platte „Operanoïa“ (1996) gesungen. Autodidakt Patrick Dorcéan verfügt über haitianische Wurzeln und war trommelnd auch bei Khadja Nin oder der Chansonière Maurane zu hören. Auch die Dänin Lene Christensen ist als helle Stimmfärbung wieder mit an Bord. Doch es gibt auch jede Menge neuer Gesichter aus dem Patchwork der Metropole Brüssel. Véronique Jêrome etwa, eine Bühnen-Kameradin Manous, die sich zu einem “himmlischen” (s. Anspieltipps) Duett eingefunden hat, oder der legendäre afro-belgische Rapper Balo von der Posse Starflam, der als schlagfertiger Übersetzer ins Französische Manous Botschaften aus Schwarzafrika übermittelt.

”Ich hatte das Glück, in einem afrikanischen Dorf aufzuwachsen und kann heute immer noch aus meinem traditionellen Brunnen schöpfen”, so erklärt die Ivorerin dankbar. “Ich konnte reisen und meine eigene Sprache in einem langen und schwierigen Prozess herausbilden. Ich bin Afropäerin, habe einen E-Bass und bin funky. Es gibt keine Grenzen: Ich bin ein Vogel, der frei herumfliegen kann. Die Zeit, in der man Afrika mit dem Image des Bananenröckchens verbunden hat, ist definitiv vorbei.” Der lange Weg der Manou Gallo hat nicht nur ihre Persönlichkeit reifen lassen sondern verändert gar das überkommene Bild von afrikanischer Musik – ihr zweites Album kündet in jedem Takt, mit jedem Rhythmus und jeder gesungenen Silbe davon. Das hat übrigens sogar einer der größten Stars der Afro-Musikhistorie entdeckt. Manu trifft Manou: Zum 50. Bühnenjubiläum Manu Dibangos wird Manou Gallo am 20. März 2007 in Paris als Ehrengast zugegen sein.

Anspieltipps:
- “Terre” (5): Eines jener Meisterwerke zwischen hochkomplexer Rhythmik und weichem Chorsatz, die charakteristisch für Manou sind: “Wenn es bei deinem Nachbarn brennt, hilf ihm, denn wenn eines Tages dein Haus in Flammen stehen sollte, wirst auch du Hilfe brauchen.” So erklärt sie diesen engagierten Text, der zum einen auf den Bürgerkrieg und die nachbarschaftliche Hilfe zwischen der Elfenbeinküste und Liberia anspielt, zum anderen aber auf eine Welt ohne Grenzen, in der die afropäische Vermischung befruchtend regieren soll. Ein Parforce-Ritt mit unerwarteten Tempi-Wechsel, kantigen Bass- und Gitarrenriffs und herzzereißenden Zwischenspielen.

- “Stars” (6): Das Duett zwischen Véronique Jêrome und Manou webt ein polyrhythmisches Chorgeflecht über kräftigen Trommel-Statements und knalligen Akzenten der Band. Die beiden Sängerinnen sehen sich als Sterne, die sich im Himmel amüsieren und den Glanz ihrer Stimmen feiern.

- “Woyak lolo” (7): Manous wunderbare, packende Hommage an ihre Jugend. Basierend auf einem Stück ihrer damaligen Band Woya hat sie hier einen grandiosen Ohrwurm kreiert, in dem der Rapper Balo das I-Tüpfelchen aufsetzt. Wurde im Ursprungstext noch der Geschichtenerzähler im Afro-Dorf gepriesen, geht es hier um darum, dass jeder Musiker in der heutigen Zeit zum “Lautsprecher” seiner Leute werden sollte.

- “Adolo” (10): Ein Afrobeat-Groove als Keimzelle zu einem spielerischen Nonsense- Silben-Song mit dynamischem Ba
ss-Spiel, wendigem Chor, aufgekratzer Wah-Wah- Gitarre und einer sich stetig verdichtenden Intensität um die fast perkussive Stimme Manous.

Mit Baumaterial aus dem rhythmischen Reichtum Westafrikas, aber auch aus Rock, Funk und HipHop errichtet Manou Gallo auf ihrem zweiten Wurf eine der stolzesten Soundbrücken zwischen Afrika und Europa .

 

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