Muchachito Bombo Infierno
Vamos Que Nos Vamos
("Auf gehts, packen wirs!")
LA FABRICA DE COLORES/EXIL 5908-2 | LC 08972 | VÖ: 18.4.2005 | DISTRIBUTION: INDIGO
1.
El Compadre (Jairo Perera Viedma) 428"
2. Me Tienos Frito (Jairo Perera Viedma) 333"
3. Será Mejor (Jairo Perera Viedma) 316"
4. Luna (Jairo Perera Viedma) 351"
5. Sin Vigilancia (Jairo Perera Viedma) 343"
6. Eima (Jairo Perera Viedma) 423"
7. Más Que Breve ((Jairo Perera Viedma)) 415"
8. Conversaciones Incompatibles (Jairo Perera Viedma) 345"
9. Si Tú Si Yo, Si No José María López Sanfeliu/Jairo
Perera Viedma) 339"
10. 115 (Jairo Perera Viedma) 328"
11. Cógelo (Jairo Perera Viedma) 358"
12. Siempre Que Quiera (Jairo Perera Viedma) 354"
13. Paquito Tarantino (Jairo Perera Viedma) 358"
"Die beste Nachricht aus Spanien seit der Abwahl von José Maria Aznar."
(Francis Gay, WDR Funkhaus Europa)
Als ob man sich in Barcelona nicht schon genug verirren könnte,
wenn man allein seinen Ohren traut: Rock Mestizo, Rumba Catalana, Flamenco-Rap,
Ska-Punk, Rai, Reggae & Dub, Afro-Groove, Múscia Latina, Samba....
wie eine aufregende Kakophonie schallt es aus dem Raval und Barrio Gotico
seit Jahren, und der unerhörte Strom des klingenden Culture Clash scheint
nicht zu versiegen. Doch kaum wurden erste Stimmen laut, dass Gaudí-Town
mit der immergleichen Mestizaje-Masche allmählich wohl bald von der weltmusikalischen
Bildfläche zurücktritt, da beschließt man flink ein Out-Sourcing
für den neuen Star der Ciudad: Guerillamäßig und rauhalsig
meldet sich Barnas Peripherie zu Wort mit einem Typen namens Jairo Perera
Viedma aus der nicht weniger klangvollen Vorstadt Santa Coloma de Gramanet.
Überfällt er uns da doch hinterrücks mit einer Combo, die von
seiner Plattenfirma mit den Worten "irgendetwas zwischen der coolsten
Jazzband der Welt und einer Gruppe von Farmern" angekündigt wird.
Könnte Muchachito Bombo Infierno die nächste
große
Barna-Sensation nach den Ojos De Brujo werden? Urteilt selbst, werte Gemeinde
hier ist ihre Story:
Den heute 29jährigen Jairo Perera Viedma konnte man in den Achtzigern
erstmals irgendwo in den Straßen der katalanischen Metropolis sichten.
Dort verdingte er sich nämlich als Busker, der mit Gitarre und Hut (fürs
Kleingeld) bewaffnet versuchte, seine außergewöhnliche Reibeisenstimme
den Passanten schmackhaft zu machen. Reiseerfahrungen zwischen Lloret de Mar
und Paris sickerten in seine "poesia de la calle" ein. Ein Intermezzo
als Drummer folgte, doch dann kehrte er zur Sechssaitigen zurück und
schrieb sich ab 1993 mit der Combo Trimelón de Narajus unauslöschlich
in die Untergrund-Annalen Katalaniens ein. Zurno Para Tus Orejas und
Que Vida Más Perra hießen die beiden Werke, denen begeisterte
Mestizo-Jünger noch heute mythische Qualitäten zuschreiben. Viedma
alias Muchachito bediente bei Trimelón die Gitarre, agierte als Vokalist
und Komponist, bevor man sich 2001 selbst den Laufpass gab.
Muchachito, gar nicht müßig,
nutzte seine erneuten Freiersfüße, um seine poetischen Fertigkeiten
auf Vordermann zu bringen. Er entwickelte das sagenhafte
"Rumboxing", das er im Interview mit Anna-Bianca Krause (RadioMultikulti,
WDR) uns Außenstehenden so beschreibt: "Ich bin so lange mit meiner
Rumba auf die Leute losgegangen, bis sie zurückgeschlagen haben!"
Auf der Basis von Rumba-Rhythmik erzählt er improvisierte Geschichten
von realen und fiktiven Schurken, unverblümte, kraftgeladene Moritaten
von Liebe und Hass. Dazu begleitet er sich nicht nur auf der Gitarre,
sondern kreiert mittels Automaten-Instrumenten und einem Stück Holz einen
skurrilen Ein-Mann-Orchester-Sound. Mit diesem intimen Cabaret, das die direkte
Berührung mit dem Publikum sucht, tingelt unser Mann durch die Kneipen
Barcelonas und weiter durch die spanischen Lande: Madrid, Burgos, Palma de
Mallorca können Muchachitos Mini-Band erleben.
Wir schreiben den April 2004 und die Zeiten des Minimalismus sind vorbei.
Da ist sie wieder, unsere strubbelige Bohnenstange aus Santa Coloma,
mit Matrosenhemd und Sakko ausstaffiert, und er hat ein neues Quintett am
Start. Der Trompeten-Gefährte aus alten Trimelón-Zeiten, Hector
Bellino ist an seiner Seite, hat aber auf Perkussion umgesattelt. El Tito
Carlos, ein äußerst pfiffiger
Tastenmann, nimmt am Piano und den Keyboards Platz, Muchachito hat ihn während
einer neunstündigen Jamsession kennen gelernt. Das Blasen übernimmt
nun - supportet durch Brass-Gäste - Josué "El Ciclón"
Garcia, dem nicht von ungefähr Wirbelsturm-Qualitäten zugeschrieben
werden.
Mit "El Lere", der seinen Kontrabass zärtlich "Großmütterchen"
nennt, komplettiert ein alter Kumpel den wilden Haufen, der sich in jenem
Frühjahr im Apolo zu Barcelona als Muchachito
Bombo Infierno vorstellt, wo sofort enthusiastische Vibes aufkommen.
Wie gut, dass da mit Joan Garriga und
Tomás Arroyos zwei Ex-Kombattanten von Dusminguet zur Stelle sind,
die das Konzert mitschneiden und schnell überzeugt sind, dass ihre Zeit
in dieser neuen Band gut investiert ist. Die tritt schon bald im Vorprogramm
der Ojos De Brujo auf, begeistert auf spanischen Flamenco-, Reggae und Blues-Festivals.
Und schließlich rüsten sich Garriga und Arroyos für die Produktion
des Debuts Vamos Que Nos Vamos,
was man mit "Auf gehts, packen wirs!" übertragen
könnte. Und in der Tat: "Packende" Aufbruchsstimmung durchzieht
hier jeden einzelnen Takt!
Muchachito
Bombo Infierno
- das klingt nach sympathischem Gewaltausbruch und ist tatsächlich ein
Sprengkörper auf dem ohnehin zunderlastigen Mestizaje-Terrain. Ihre Soundkreationen
haben es faustdick hinter den Ohren. Die Rumba Catalana wird in dieser rasenden
Straßenmusik zur Lebensphilosophie, versteckt sich in den Arrangements
aber vornehm in einer scharfkantigen Textur aus Funk, Ska, Rockabilly und
einer ganz neuen Facette des spanischen Rock Mestizo. Da glaubt man sich flugs
in die besten Frühzeiten der Negresses
Vertes versetzt, als der raubeinige Helno noch das Sagen hatte. Bluesbrothersgerecht
tobt die Horn-Section los, funkige Clavinet-Effekte à la Stevie Wonder
entzücken das Trommelfell. Gemütlicher Akustik-Reggae mit entspannt
grinsender Posaune sorgt für ein "breites" Zwischenspiel, oder
es wird mal ein pathetischer Bänkelgesang mit verrosteter Gießkannenstimme
eingeschoben. Muchachito, von Anna-Bianca Krause nach dem Geheimnis seiner
Stimmritzen befragt: "Trinken und Rauchen? Nein! Ich habe schon als kleines
Kind total rumgeschrieen und Politiker und Sänger imitiert."
Obsessiv schrammelnde Gitarrenakkorde schüren dann erneut die Glut, und
Surf-Gitarren aus Pulp Fiction knattern zum furiosen Schlussspurt herein.
Bei so viel überbordender Spiellaune wollte auch eine Marina "La
Canillas" Abad dabei sein. Ihres Zeichens charismatische Sängerin
der Ojos de Brujo, greift sie hier duettierend ein Mestizos müssen
schließlich zusammenhalten.
Unsere Kollegen von Funkhaus Europa haben Muchachito und seine Mannen kürzlich
an den Rhein geholt zu ihrem ersten Gastspiel außerhalb Spaniens
überhaupt. Wir sind natürlich davon überzeugt, dass dies nur
ein zaghafter Vorbote einer furiosen Karriere sein wird. Oder wie es unsere
geschätzte Kollegin Anna-Bianca
Krause auf den Punkt bringt:
"Vergesst alles, was in der letzten Zeit aus Barcelona kam Muchachito
Bombo Infierno werden über uns hinwegrasen wie ein Orkan."
Anspieltipps:
- "Será
Mejor" (3):
Zuerst glaubt man an eine Wiedergeburt von Stevie Wonders "Superstition"
auf katalanische Art. Doch dann bereitet das funkige Keyboard den Weg für
einen bläsergeschwängerten, atemlosen Rumba-Rock,
in dem Muchachito von
einer alles verzehrenden Hassliebe berichtet.
- "Eima" (6): Muchachitos Geschichte über die geheimnisvolle, öfters mal in Ohnmacht fallende Geliebte ist verpackt in einen treibenden Rumba-Groove, und in einem knackigen Interludium versteckt sich, na, wer? Die halbe Ojos de Brujo-Belegschaft!
- "Conversaciones
Incompatibles"
(8): Schönste Vokalharmonien trotz Reibeisenstimme in einem zurückgelehnten
Reggae, in dem es einmal darum geht, dass Männer und Frauen sich wohl
nicht verstehen. Er spricht Griechisch, sie Latein...
- "Paquito Tarantino" (13) : Die Titelmelodie zum neuen Tarantino-Breitwandopus? Das Zeug dazu hätte die Nummer. Scharfe Surfgitarren, Hornfanfaren, dann ein Tempowechsel mit zornigem Vokaleinsatz. Meisterhafte Dramaturgie, die auf jeden Fall einen Spezial-Oskar verdient hätte!
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