SIX DEGREES 100

EXIL 5350-2 | LC 08972 | VÖ: 11.10.2004 | DISTRIBUTION: INDIGO

Mit ihrer einzigartigen elektronischen Weltmusik haben Six Degrees während der letzten Jahre die Welt des College Radio und der Musik-Connaisseurs auf den Kopf gestellt. An dieser Kreuzung, an der sich Vergangenheit und Zukunft, Osten und Westen treffen, haben sie die Begeisterung entfacht, und andere Labels trachten nun eifrig danach, zu diesem Freudentaumel ihre eigenen Flammen beizutragen. (Ink 19)

Six Degrees hat den Dreh raus, wie man kunst- und respektvoll traditionelle Musik vom gesamten Erdball mit Club-Grooves verschmelzen lässt.
(Toronto Sun)

Es muss wohl der libertäre Geist der Bay Area sein, der einst auch für die Flower Power-Bewegung den Boden ebnete - denn mit Fug und Recht können wir behaupten, dass San Francisco seit acht Jahren einem der schönsten Gewächse aus dem experimentellen Garten der Weltmusik-Labels eine Heimstätte bietet: Six Degrees heißt die wundersame Pflanze, gehegt und zur prächtigen Blüte gebracht von Pat Berry und Bob Duskis. In ihrer Vergangenheit arbeitete das umtriebige Gespann beim renommierten Hause Windham Hill, wo sie gerade die spannende Phase, nämlich weg von der akustischen New Age-Orientierung und hin zur Öffnung gegenüber Electronica, Weltmusik, Dance und Klassik mitgestalteten. 1997 machten die beiden A&R-Spezis Nägel mit Köpfen, nutzten ihre langjährige Synergie, um sie in einer eigenen Marke zu kanalisieren: Six Degrees. Binnen kurzer Zeit haben sie sich einen klingenden Namen innerhalb des globalen Worldmusic-Terrains erobert und sich dabei gänzlich von den Major-Strukturen gelöst: "Innovativ, unabhängig und intelligent" sind die Leitmotive des Doppelgestirns, das in den verschiedensten Teilnischen der World-Domäne Maßstäbe setzen konnte: Da wäre die äußerst beliebte, kontinentbezogene "Travel Series", die sowohl dance-orientierten Weltmusikern, Club-DJs als auch Chill Out-Freaks Gehirn- und Tanzbein-Futter bereitstellt. Dann die wegweisenden Alben ihrer Schützlinge im großen Feld des Asian Massive (einstmals nannte man das noch Asian Underground), wo sie mit Karsh Kale, DJ Cheb i Sabbah und MIDIval PunditZ von Delhi bis Kalifornien wichtige Künstler unter Vertrag haben. Oder schließlich Dutzende von Veröffentlichungen herausragender Globalköpfe, unter ihnen der Savannen-House-Kreator Issa Bagayogo, das soziale Gewissen unter den US-Rappern Michael Franti oder die kubanische Yoruba-Priesterin Bobi Céspedes.

Mittlerweile kann das rührige Unternehmen aus "Frisco" acht unorthodoxe Firmenjahre und 100 Veröffentlichungen feiern. Und wir sind mit dabei, läuten mit dem Jubiläums-Sampler eine Partnerschaft ein, die uns noch viele unerhörte und bestaunenswerte Orchideen zu Ohren führen wird — ganz gemäß dem auserkorenen Label-Motto:

"Everything is closer than you think!"

Mit dem kanadischen Duo EUPHORIA betreten wir den Klangpalast des Six Degrees-Katalog. Slidegitarrist Ken Ramm aus Toronto und der Produzent Garry Hughes bescherten dem Label einen ihrer größten Erfolge, mit einem Sound, der nur schwerlich in Worte zu fassen ist: Club-Beats und Trip Hop-Strukturen siedeln neben bluesbeladenen Gitarrenglissandi, sphärischer Background à la britischer Artrock dräut im Hintergrund. "Als würden Pink Floyd auf Ry Cooder treffen, um sich von Brian Eno abmischen zu lassen", so beschreiben die Six Degrees-Leute selbst das Resultat und zitieren damit die wichtigsten Einflüsse von Mr. Ramm. Um dem unerhörten Crossover noch ein paar Erkerchen mehr anzuheften, haben sich Euphoria fürs gleichnamige Album ungewöhnliche Gäste ins Haus geholt: Der Slide-Spezialist BJ Cole ist zu vernehmen, Gospelvocals von Juliette Roberts, Geddy Lee, Kopf der kanadischen Rocker von Rush teilt sich den Bass mit Roy Babbington (Ex-Soft Machine), dazwischen lugen Sounds vom Balkan und aus Arabien hervor. Eingespielt wurde das Werk in London, in den Studios von Trevor Horn. "Delirium" ist der spacige Opener mit der majestätisch schwirrenden Slide als Protagonistin.

Ofra Haza, die britischen Punker 999 And Chelsea, der Electronic-Pionier Thomas Dolby — das ist die bunte Gesellschaft, in der sich WALLY BRILL produzierend aufhält. Für sein Album The Covenant legt er eine musikalische Landkarte aus Tablas, Didgeridoo, Trompete, tibetischen Klangschalen und der Ambientgitarre von David Torn an, um sie mit Samples jüdischer Kantoren der 1920-40er zusammenzufügen. "A Loop In Time" von diesem Album ertönt hier im Remix von Brills britischem Mixmaster-Kollegen Banco De Gaia (Track 13). Geheimnisumwoben wie seine musikalischen Elaborate sind auch Teile der Biografie von DJ CHEB I SABBAH. Der Algerier kam irgendwann in den 1960ern nach Frankreich, wo er als einer der absoluten Pioniere der DJ-Szene agierte und unter den Einfluss des unorthodoxen Bühnenkollektivs des Living Theatre geriet (www.livingtheatre.org), denen er sich 1971 anschloss. In den 1980ern startete er eine eigene Schauspielertruppe namens Tribal Warning Theatre, und diese Zeit markiert seine Ankunft in San Franciscos Bay Area. Hier mauserte er sich zum DJ-Guru und arbeitete u.a. mit Sufi-Sänger Nusrat Fateh Ali Khan sowie den Jazz-Ikonen Don Cherry und Ornette Coleman. Auf seinen Alben (mittlerweile vier auf Six Degrees) mixt er Jazz mit marokkanischen Gnaoua-Ritualen, hindustanischen Klangkosmos mit trancig-dubbigen Strukturen von epischem Zuschnitt. Dabei löst er sich von den üblichen Schemata des DJ-Zirkels und lädt prominente Live-Musiker wie den Virtuosen auf der indischen Geige Sarangi, Ustad Sultan Khan, und eine ganze Legion indischer Vokalisten aus der ersten Liga ins Studio ein. "Kese Kese" stammt aus seinem Six Degrees-Debüt Shri Durga (1999) und basiert auf dem Raga Mishra Darbari. Den Gesangspart übernehmen Mala Ganguly und Shafqat Ali Khan. Für Namenskundler sei noch nachgereicht: Auch mit seinem Pseudonym trägt der ominöse Pultmeister einer musikalischen Pilgerphilosophie Rechnung: "Cheb" nennt er sich in Anklang an die frechen jungen Raï-Crooner, mit Sabbah erinnert er an den persischen Mystiker und Führer der Assassinen Hassan-i Sabbah aus dem 11. Jahrhundert.

In seinen tribal gefärbten Meisterwerken kommt die ganze Welt zusammen, ja, man könnte sich fast zu der Aussage versteigen, die Tastatur des Briten BOB HOLROYD sei der Erdball an sich. 1987 startete die Karriere des Masterminds, als er Begleitmusiken für TV-Dokumentationen entwarf. Reisen nach Afrika und Asien in den frühen Neunzigern erweiterten seinen Horizont und 1993 kreierte er mit Samples aus Ostafrika sein erstes Klangtableau Fluidity & Structure, das durch ein Gemälde zu jedem Stück begleitet wurde und mit dem Underground-Clubhit "African Drug" aufwartete, später u.a. remixt von Coldcut. Holroyd hat sich seitdem auf einem der Spitzenplätze der Global Fusion-Produzenten etabliert, lässt auf seinen nunmehr vier Alben (zwei davon auf Six Degrees) elektronische Loops, traditionelle asiatische Vokalsamples, Klänge der Kalahari-Buschmänner und scharfe Blechblas-Attacken sich die Bälle zuspielen. "Drumming Up A Storm" ist ein Paradebeispiel für sein globales Netzwerk und stammt aus dem Opus A Different Space: Drumloops, Latin-Perkussion, afrikanische Antwortchöre und eine feurige Bigband heizen hier höllisch ein.

Durch ihn kam der Groove in die Savanne: Seine Tätigkeit als Hirsefarmer und Taxifahrer gehört der Vergangenheit an, heute feiert man ISSA BAGAYOGO in Malis Hauptstadt Bamako als Herrscher über den Dancefloor. Mit dem französischen Studiofreak Yves Wernert, der im Sahel-Land schon lange seine Zelte aufgeschlagen hat, zeigt er, dass Afrikas Musik nicht nach Europa kommen muss, um zeitgenössisch zu sein: House-Rhythmen und zurückgelehnter Dub befinden sich hier mit der knochentrockenen Buschharfe, gleißenden E-Gitarren und dem Ur-Banjo Ngoni in bester Gesellschaft, dazu der nasale Gesang Issas, der die legendären Krieger des Mande-Reiches heraufbe-schwört, sich in seiner selbstverfassten Lyrik aber auch mit zeitgemäßen Themen wie Drogen und Umweltverschmutzung auseinandersetzt. Der Track "Baro" stammt aus dem zweiten Release von Bagayogo namens Timbuktu, mit dem sich der Malier auf Six Degrees vorstellte. Gerade steht sein drittes Opus Tassoumakan vor der Veröffentlichung.

Tragisch endete die vielversprechende Laufbahn des Mitar Subotic aka SUBA, als er 1999 in seinem Apartment in São Paulo bei einem Brand ums Leben kam. Nach einer Aus-bildung in Jazz und klassischer Komposition sowie Aktivitäten auf den verschiedensten Soundtrack-Schauplätzen des Theaters, Balletts und Films war der Serbe aus Novi Sad Ende der 1980er in die — wie er es nannte — "Blade Runner-Metropole der Tropen" gekommen. Dort machte er sich rasch einen exzellenten Namen als Produzent für brasilianische Prominenz, unter diesen die Souldiva Marina Lima oder der Avantgardepoet Arnaldo Antunes, kollaborierte auch mit der Legende Hermeto Pascoal. Seine größten Meriten jedoch müssen ihm für seine Arbeit an Bebel Gilbertos global erfolgreichem Oeuvre Tanto Tempo (s. Track 9) zugedacht werden. Sein eigenes akustisches Tagebuch ist São Paulo Confessions, ein schwül-sinnliches und zugleich durch und durch urbanes Protokoll seiner Zeit in der südbrasilianischen Metropolis auf dem Label Ziriguiboom, das in den USA von Six Degrees vertrieben wird. "Felicidade", ein Remake des berühmten Bossa-Songs von Tom Jobim und Vinicius De Moraes stammt aus jenem Vermächtnis des Wahlbrasilianers und featuret die Vocals von Cibelle, mittlerweile selbst ein Star aus dem kreativen Bienenhaus São Paulo.

San Franciscos Fenster zur lateinamerikanischen Welt wird in der Arbeit von BOBI CÉSPEDES wunderschön demonstriert. Die auf Kuba geborene Künstlerin kam 1959 in die USA und wurde dort 8 Jahre später zur Yoruba-Priesterin geweiht. Die Rituale des ursprünglich aus Westafrika stammenden Volkes sind fester Bestandteil ihrer Konzerte und Lesungen an Universitäten. In den 1980ern gründete sie das Conjunto Céspedes, das für peppige Koppelungen traditioneller kubanischer Musik mit zeitgenössischen Arrangements eine Lanze brach. Ihr 2003 erschienenes Six Degrees-Album Rezos baut auf dem firmen Fundament von Dancefloor-Rhythmen auf und ist eine hochaktuelle Bestands-aufnahme dessen, was mit kubanischer Musik fernab des Nostalgie-Hypes à la Buena Vista heute so alles angestellt werden kann. Funky Gitarren, erdschwere Elektronik, kecke Bläser und Perkussion- und Piano-Spuren aus dem Herz des kubanischen Wesens, ganz so, wie es auch der Track "Lenu" offenbart. Remixt wurde es vom Scratch-Wizzard Rob Swift, einem begnadeten Turntabler aus Queens, NY, der ebenfalls auf Six Degrees veröffentlicht und seine Künste schon einem Herbie Hancock zur Verfügung gestellt hat.

MICHAEL FRANTI und sein Projekt SPEARHEAD haben mit ihrer Platte Stay Human in den USA hohe Wogen geschlagen. Das lyrische HipHop-Werk ist gleichsam eine Meditation über soziale Gerechtigkeit und zentriert sich um die fiktive Geschichte einer schwarzen Aktivistin, die unschuldig zum Tode verurteilt wurde. Ein bewegendes Statement gegen die Todesstrafe im poetischen Geiste eines Gil Scott-Heron, musikalisch auch an Marvin Gaye und Curtis Mayfield angelehnt. Franti begann als Bassist für die Band Beatnigs und reihte sich von Anfang an mit mutigen Texten afro-amerikanischen Hintergrunds in die Philosophie von Bands wie Arrested Development oder Living Colour ein. Kontrovers und provokativ greift er Themen wie Rassismus, Armut und AIDS auf, koppelt sie mit den positiven Botschaften von Lebensfreude und Liebe — eine lichte, hoffnungsstiftende und zugleich engagierte R&B-Variante fürs 21 Jahrhundert. Wir hören das Titelstück aus "Stay Human" in einem entspannt groovenden Remix.

Wenige Chanteusen haben in den letzten Jahren auf heimischem Boden so viele CDs verkauft wie BEBEL GILBERTO. Dabei war ihr Debüt Tanto Tempo, von Suba (s. Track 4) produziert, ein richtiger Slowburner, dessen brasilianischer Erfolg erst beträchtliche Zeit nach dem Craze für die Neo-Bossa-Lady in Europa und den USA einsetzte. Engste Verwandtschaft zum Pulsschlag des brasilianischen Musikkosmos kann die Dame aufweisen: Ihr Vater ist João Gilberto, der Bossa Nova-Erfinder, Mutter Miúcha und Onkel Chico Buarque sind ebenfalls Megastars der Música Popular seit vielen Jahrzehnten. Bebel startete ihrer Laufbahn über Umwege: Auf der Platte des japanischen Elektro-Bossa-DJs Towa Tei konnte man sie hören, mit den Washingtoner Lounge-Helden Thievery Corporation war sie zu Gange, ebenso mit einem anderen Big Apple-Emigranten vom Zuckerhut, Vinicius Cantuária. 2000 dann das vielumjubelte Debüt, von dem hier eines der luftigsten Bossa-Kabinettstückchen aller Zeiten, Marcos Valles "Summer Samba" kompiliert wurde.

Da wurde man sogar im fernen San Francisco hellhörig: dZIHAN & KAMIEN, Österreicher aus biographischem Lauf, Weltbürger aus Passion, vermischen Nahöstliches, Latin-Flair, Afrobeat und Jazz-Vokabular auf bezwingend natürliche Weise mit einem hochgradig tanzbaren Donwtempo-Charme. Begeistert von dieser Wiener Mélange sorgt Six Degrees dafür, dass die neuen Sounds aus dem alten Europa auch Amiland beglücken. Wir schätzen sie ja schon seit ihrem legendären Clubhit "Der Bauch", Jahrgang ’96. Schon rein gentechnisch ist das Duo mit Multikulti behaftet: Vlado Dzihan kam aus Sarajevo an die Donau, Mario Kamien steuerte von der Schweiz aus Austrias Kapitale an, hat polnische Vorfahren, deutsche und italienische Eltern. Das Paar lernte sich beim gemeinsamen Studium der Musik kennen, entdeckte bald die gemeinsame Vorliebe für türkische Samples. Das swingende trompetenbetupfte (Sammy Figueroa, ein Miles-Schüler bläst hier!) "Stiff Jazz" stammt aus dem neuesten Output Gran Riserva, für das die zwei sich Studios in London, Istanbul und der Toskana ausgeguckt haben.

Ein kleiner Milkshake für zwischendurch gefällig? BATIDOS nennt man die in der Latino-Welt, und so erfrischend kommt auch das gleichnamige Projekt des Brooklyn-DJs Ron Trent und seines blasenden Kollegen vom Groove Collective, Jay Rodriguez daher. Trent, ursprünglich aus Chicago, wo er schon als Knabe in der House-Szene rumorte, hat sich im Big Apple als Resident-DJ im Club Giant Step etabliert, produziert sowohl unter seinem eigenen Namen als auch unter USG (Urban Sound Gallery). Mit dem Sax-, Flöten- und Klarinetten-Meister Rodriguez, der sich schon mit dem Wu-Tang Clan, Prince und Tito Puente eingelassen hat, geht es auf Olájopé hitzig zur Sache: Afro-kubanische Rhythmen organisch verquirlt mit dezentem Programming, dazu guest appearances von Kubas feinster Riege: So hören wir in "Tengo Sed" zum Beispiel keinen geringeren als den Starpianisten Chucho Valdés in die Tasten greifen.

"Die erste indische Electronica-Band, die ein internationales Label gesignt hat", so verkünden die Six Degrees-Leute stolz. Das Duo MIDIval PunditZ aus Neu Delhi holen den Asian Underground, der jahrelang in London, Birmingham und Leeds residierte nach Hause, wo sie für ihre alle Sinne ansprechenden "Cyber Mehfil"-Clubabende gerühmt werden. Talvin Singh, Karsh Kale (s.Track 15), das von Bill Laswell mitinitiierte Gipfeltreffen Tabla Beat Science — lang ist die Liste ihrer Fans, Kollegen und Kollaborateure. Seit ihren Kindertagen kennen sich Gaurav Raina und Tapan Raj, die 1994 ihre Zusammenarbeit starteten, nachdem sie sich schon separat lange in der Clubszene am Plattenteller getummelt hatten. Im eigenen Studio entstand fortan ihre Klangwelt, die sich — so hart die Drum’n’Bass-Beats auch sein mögen — immer durch eine tiefe Verbundenheit mit ihrem traditionellen Erbe auszeichnet: Bansuri-Flöten, das Hackbrett Santur und jede Menge Vokalstreuungen zeugen davon, unter letzteren auch Samples der Bollywood-Playbackdiva Lata Mangeshkar. Kultregisseurin Mira Nair wurde ebenfalls auf das Delhi-Duo aufmerksam und bestellte für ihre farben-prächtige Story Monsoon Wedding einen Track bei den beiden. "Bhangra Fever" aus ihrem selbstbetitelten Six Degrees-Debüt vereint harsche Elektronikbeats mit dem Bhangra-Rhythmus aus der Punjab-Region.

Sage und schreibe 7 Alben hat der Brite Toby Marks aka BANCO DE GAIA schon für das Label aus San Francisco eingespielt. Der Global Electronica-Worker der ersten Stunde hat sich einen treffenden Namen gegeben: Man könnte ihn als "Weltbank" übersetzen, allerdings wird hier nicht dem schnödem Mammon gehuldigt, sondern ein Datenpool voller Klänge aus aller Damen und Herren Länder gesammelt, um sodann aus diesem in einem Studio der Grafschaft Somerset spannende Soundskulpturen herauszufräsen. Nachdem er 20 lange Jahre die Rockgitarre bedient hatte, kam Marks allmählich auf einen stilistisch weit-greifenderen Pfad, und schuf für sich seit 1994 eine neue Perspektive, in der nun indische Violinen mit Jimi Hendrix gleichberechtigt tönen. Last Train To Lhasa war sein erster Geniestreich, der schon andeutete, dass sich hier jemand mit stupider Aneinanderreihung von Dance-Loops nicht zufrieden gibt: Die Welt des Toby Marks ist ein Wall of Sound aus Ambient, Trance, Acid House, Jungle und Samples von Kenia über Indien bis hin zu Pink Floyd- und The Prodigy-Flair.

Einer der großartigsten Künstler im Six Degrees-Roster krönt die 100. Veröffentlichung des Labels: KARSH KALE (sprich: Ka-’leh) ist neben Talvin Singh und Nitin Sawhney der vielseitigste und cleverste Soundscaper indischer Herkunft, den das frühe 21. Jahrhundert hervorgebracht hat. Auf seinen beiden Six Degrees-Alben Realize und Liberation vereint er seine indisch-klassische Vergangenheit als Tabla-Spieler mit der Sphäre modernster Electronica, zirkelt gekonnt zwischen der sinnlichen Opulenz eines subkontinentalen Streichorchesters und der scharfkantigen Tablatronic-Philosophie. Teamworks mit dem marokkanischen Gnaoua-Musiker Hassan Hakmoun, mit Banco De Gaia (s.Track 14), der Vokal- und Sarangi-Koryphäe Ustad Sultan Khan, Bill Laswells Tabla Beat Science und der Äthiopierin Gigi künden von einer erstaunlichen musikalischen Offenheit. "Milan", ein episches Werk mit den Girlanden der Bansuri-Flöte als Reiseführer, dem Madras Chamber Orchestra und Zakir Hussains Tabla-Zauberei, stammt aus Kales aktueller Scheibe Liberation und ist seiner Tochter gewidmet, deren Sanskrit-Name "Begegnung zweier Flüsse" bedeutet — und das könnte durchaus auch als poetische Umschrift für Kales Klangmalereien stehen.

 

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