Sono / Next Music present:
Sahraoui
Un Homme Libre
EXIL 0570-2
LC 08972
VÖ: 25.06.2001
DISTRIBUTION: INDIGO
Im
Hoheitsgebiet des algerischen Raï wetteifern Könige, altehrwürdige
Damen, Prinzen und (böse) Buben um die Gunst des Hörers. Seine Majestät
Khaled und Thronfolger Cheb Mami croonen an der Spitze der Beliebtheitsskala,
neben dem Youngster Faudel, dem Anarcho-Rocker Rachid Taha, und selbst Urmutter
Rimitti meldete sich kürzlich mit einem magischen Werk zurück. Einer
jedoch, der ebenso immer im Brennpunkt stilbildender Ereignisse stand, macht
nicht viel Aufhebens um sich. Mohammed "Cheb"
Sahraoui ,
eineinhalb Dekaden an der Seite seiner Ehefrau Cheba Fadela international brillierend,
präsentiert sich nun erstmals seit langer Zeit wieder als Solo-Künstler,
als "freier Mann", der mit clever gemixten Zutaten, wie einem Hauch
von karibischem und andalusischem Flair, dem Raï auch ohne gönnerhafte
Unterstützung westlicher Pop-Prominenz unverbrauchte Farben abgewinnen
kann. Sahraoui
kommt 1961 im Quartier Plateau Saint-Michel von Oran zu Welt. In der Metropole,
der unbestrittenen Wiege des Raï, besucht er nach schon früh lodernder
Liebe fürs Piano vier Jahre lang das Konservatorium und verdingt sich
wie soviele der Chebs als Sänger in den Nachtclubs. Rai-Standards
stehen hier genauso auf seinem Spielplan wie Beatles-Songs. Als seine Wege Ende
der 70er die der Sängerin Fadela kreuzen, ist dies der Beginn einer lange
anhaltenden Partnerschaft der Kreativität und des Herzens. Die Cheba hatte
schon 1978 mit ´Ana Mahlali Noumª einen enormen Hit zu verzeichnen,
der den Synthesizer im Raï einführte. Das Paar geht fortan zusammen
innovative Wege in der algerischen Popmusik, zunächst nur auf Hochzeiten
und ähnlichen Festlichkeiten auftretend. 1983 jedoch, mit einem Sound,
der vom Produzenten-Team Rachid Baba Ahmed und Fehti entwickelt wurde, erobern
sie von der Stadt Tlemcen ausgehend mit ihrer liebesbeteuernden Hymne "N'sel
Fik" zunächst Algerien und dann die ganze Welt. Der Titel verbreitet,
nicht zuletzt auch durch einen housigen Remix der deutschen Formation 49ers,
den maghrebinischen Sound in ganz Europa und kurbelt den Raï-Siegeszug
im Westen an. Auch
beim legendären Bobigny-Festival von 1986, dem Woodstock-Pendant für
den Raï, steht das Paar auf der Bühne. Sage und schreibe 20 Alben
und 150 Tapes veröffentlichen Sahraoui und Fadela während ihrer gemeinsamen
schöpferischen Blütezeit, und gehen als erste Raï-Künstler
überhaupt auf Tournee in den USA. Das langjährige Shuttle-Dasein zwischen
Oran und dem Rest der Welt wird 1994 beendet, als Cheb Hasni der König
des Love Raï von Fundamentalisten ermordet wird. Die permanente
Bedrohung des freizügigen Genres, das unverblümt von den körperlichen
Freuden des Daseins schwärmt, und seiner Interpreten ist auf einem traurigen
Höhepunkt angelangt. Das Paar entschließt sich zum endgültigen
Gang ins Pariser Exil. Trotz alledem begibt man sich unter der Schirmherrschaft
des großen Fans Bill Laswell wieder auf arabischen Boden, um dort 1996
nochmals das progressive Album Walli aufzunehmen. Ende der Neunziger
dann geht die langjährige Partnerschaft des kreativen Rai-Doppelgestirns
in die Brüche. Nach
einer schöpferischen Neubesinnung steht Sahraoui nun alleine im Rampenlicht
und meistert mit Un Homme Libre die ungewohnte Rolle mit Bravour. Mit
Mohammed Maghni hat er sich einen unangefochtenen Produzenten-Meister des Genres
ins Boot geholt. Der Mixer und Arrangeur stand bei nahezu allen Raï-Größen
in Diensten und hat vergangenes Jahr für den letzten Schliff auf Cheikha
Rimittis Nouar (Exil 9421-2) gesorgt. Mit von der Partie ist ebenso Norbert
Habib, Komponist und Arrangeur für die Arab-Pop-Formation Alabina. Die
Musik selbst eröffnet überraschende Seitenpfade: Da gibt es unverblümte
Flirts mit kubanischen Bläsern und Salsa-Rhythmik, ein Reggae schiebt sich
unter die orientalischen Melismen, und Rumba-Flair spiegelt sich in den zündenden
Gitarren von Chico & The Gipsies. Doch stets thront im Zentrum Sahraouis
kräftige, leidenschaftliche und wendige Stimme, die es an Charisma durchaus
mit der von Khaled aufnehmen kann. Un
Homme Libre ist das fulminante und entschlossene Statement eines
Sängers der klarstellt, daß er sich noch lange nicht auf seinem Legendenstatus
ausruhen will und mit Ausflügen zwischen Orient, Okzident und Karibik vielmehr
neue Wege des Raï auslotet. Anspieltipps: -
"Je Suis Naif" (1): Gleich im
Opener wird ein Feuerwerk karibisch-orientalischer Bruderschaft entzündet.
Über dem kreisenden Montuno des Pianos erzählt Sahraoui von den wechselvollen
Liebeserfahrungen eines Mannes. Maghrebinische Melodie-Ornamente verbünden
sich mit dichter, packender Bläsersektion und funkigem Bass. -
"Chah Faza" (8): Über einem
weit ausschwingenden Dub hat Sahraouis Stimme besonders viel Entfaltungspotential.
Ein gelungener Showcase für das Teaming-Up von Orient und Reggae. -
"Sidi H'Bibi" (11): Das Schlußstück
gehört Sahraouis Heimat. In einer poppigen Rumba, kreiert von Alabinas
Norbert Habib, wird zu vorwärtstreibender Percussion Algeriens gewaltfreie
Zukunft in leuchtenden Farben gemalt.
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